Bei guten Leistungen die Chance, übernommen zu werden

Lisa Herrmann und Martin Wedde unterzeichnen im Beisein der stellv. Geschäftsführerin des Bildungszentrums Renate Schiffel und des kaufmännischen Leiters der Sidra Wasserchemie Bitterfeld GmbH Joachim Schumann ihren Ausbildungsvertrag. Foto: NeumannLisa Herrmann (17) aus Roitzsch und Martin Wedde (15) aus Bitterfeld strahlen. Sie haben ihren Ausbildungsvertrag in der Tasche. Beide wollten keinen Bürojob. Etwas Technisches sollte es sein, große Maschinen und Anlagen haben es ihnen angetan. Bei den guten Noten, die sie vorzuweisen haben, konnten sie sich ihren Ausbildungsbetrieb sogar aussuchen. Mit der Sidra Wasserchemie Bitterfeld GmbH fanden sie ein Unternehmen, bei dem sie – gute Leistungen vorausgesetzt – die Chance haben, übernommen zu werden. „Einige unserer Mitarbeiter werden in wenigen Jahren altersbedingt aus dem Arbeitsprozess ausscheiden. Da müssen wir rechtzeitig unser Team mit jungen Fachkräften aufstocken“, erläutert der kaufmännische Leiter Joachim Schumann die personelle Situation im Unternehmen. In der Ausbildung hat die Sidra reichhaltige Erfahrungen aufzuweisen. Seit Mitte der neunziger Jahre stellt die Firma alljährlich einen Ausbildungsplatz zur Verfügung. Keine Selbstverständlichkeit für ein gerade mal 26köpfiges Unternehmen, weiß Renate Schiffel, stellvertretende Geschäftsführerin des Bildungszentrums Wolfen-Bitterfeld. Hier werden auch Lisa und Martin den Teil ihrer praktischen Ausbildung absolvieren, den der Eisen-III-Chlorid-Hersteller Sidra auf Grund seiner Spezialisierung nicht abdecken kann. Am 28. August startet das Ausbildungsjahr. Doch nach der Vertragsunterzeichnung gab es schon mal einen Betriebsrundgang für den künftigen Mechatroniker und die Chemikantin in spe gemeinsam mit Joachim Schumann und Ausbilder Steffen Vogelhaupt.

 
Gymnasiasten durften im Labor arbeiten

Wie die Titration funktioniert, erläuterte Gymnasiast Markus Kirchhof Personalleiterin Maike Holl. Foto: GieseBitterfeld-Wolfen (rg). „So ein Praxistag ist was Feines“, bestätigte Markus Kirchhof, Schüler der 12. Klasse des Walther-Rathenau-Gymnasiums, als er Maike Holl, Personalleiterin von Akzo Nobel Base Chemical die Titration erklärte. In der Schule hätten sie dafür wenig Möglichkeiten, deshalb freuten sich die Schüler über das Angebot von Akzo Nobel Base Chemical und des Bildungszentrums Wolfen-Bitterfeld e.V., um Chemie praxisnah zu erleben. Dieser Projekttag im Lehrlabor mit interessanter praktischer Labortätigkeit hat sogar „Chemiemuffel“ gefallen. Über zahlreiche praktische Tipps, die man bei so einem Praxistag mitbekommen kann, war auch Martin Weser aus der 12. Klasse begeistert. Er möchte später einmal Chemie studieren, erzählte er. Zuerst will er aber die handwerklichen Fertigkeiten von der Pike auf lernen und beginnt nach dem Abitur die Ausbildung zum Chemikant.
 

 
Gymnasiasten erleben Projekttag in Chemie

Dass Chemie Spaß machen kann, erlebten Schüler des Europagymnasiums während ihres Projekttages im Bildungszentrum. (MZ-Foto: André Kehrer)Bitterfeld/MZ/ckr. Eine Partnerschaft ist dieser Tage weiter vertieft worden: Schüler der zwölften Klassen des Bitterfelder Europagymnasiums "Walther Rathenau" und das im Chemiepark ansässige Unternehmen Akzo Nobel Base Chemicals haben ihrem 2005 geschlossenen Kooperationsvertrag mit ihrem Projekttag ein neues Kapitel hinzu gefügt. Und sie haben einen Dritten in ihren Bund aufgenommen - das Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld.

Insgesamt 60 Schüler absolvierten einen Projekttag Chemie im Lehrlabor des Bildungszentrums. Dieser Tag, der einmal im Schuljahr Pflicht ist und wie ein Unterrichtstag bewertet wird, wird von Akzo Nobel Base Chemicals gefördert und materiell unterstützt.Anliegen ist es, Schüler mehr praxisorientiert zu unterrichten als bisher. So, vor Ort und experimentierend in einem echten Labor, sollen Schüler ihr Interesse für Naturwissenschaften, insbesondere für Chemie, entdecken. Längst ist es kein Geheimnis, dass es auf dieser Strecke ein Defizit gibt. Gerade hier am Standort aber sehen Unternehmen und Schulen Potential genug, diese Lücke schließen zu können. "Und wir wollen jungen Leuten die Perspektiven, die sie hier haben, aufzeigen. Sie sollen als Fachkräfte das Werk fortführen", meinte Renate Schiffel, stellvertretende Leiterin des Bildungszentrums.Das selbe Ziel verfolgen Unternehmen wie Akzo vor Ort. Schon seit einigen Jahren ist es so für die Mitarbeiter der Firma selbstverständlich, Schülern und Studenten einen Blick hinter die Kulissen und Praktika anzubieten sowie die Fortbildung von Chemielehrern hier zu unterstützen. Das nehmen Schüler und Lehrer des Europagymnasiums natürlich gern an.
 

 
Bayer-Lehrlinge üben sich in Teamarbeit und in Konfliktbewältigung
 
 
Wolfen/MZ. Vorurteile führen in die Sackgasse. Diese Erkenntnis haben Mirko Wagner, Jens Meyer und Christopher Herbst, Azubis im ersten Lehrjahr bei Bayer Bitterfeld, während der Arbeit an ihrem Projekt bestätigt.
 
"Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg", "Arbeitslose haben keine Lust zum Arbeiten" - ganz typische Vorurteile, sagt Mirko, die man doch nicht gelten lassen kann, die man beleuchten und hinterfragen muss. Warum haben sie sich bei manchen so eingebürgert? Wie widerlegt man Vorurteile? Oder: Wie kann man ihnen schon vorbeugen?
 
Andere Azubis wie Robert Rietscher, Philipp Virgils und Eric Paatz haben sich damit beschäftigt, wie man - sowohl praktisch als auch im übertragenen Sinne - andere Menschen erreicht. "Brückenbau" hieß ihr Projekt. Und wieder andere wie Patrick Gutewort, Sebastian Friedrich und Patrick Buchholz hatten sich das Thema "Europa" gewählt - Entwicklung, Alltagsleben, Kultur der Gemeinschaft beleuchtet.
Sinn des insgesamt dreiwöchigen Projektes ist es, Teamarbeit zu trainieren und sich zusammen mit Azubis anderer Berufe einen Kopf zu machen. Kein einziger der 38 beteiligten Lehrlinge hätte das Geforderte allein bewältigen können. Schulung der sozialen Kompetenz, sagt die Personalchefin von Bayer Bitterfeld, Angelika Schellenberg, und Konfliktmanagement machen den Inhalt des diesjährigen Projektes aus. Seit 1999 gehört eine solche Schulung, die im Bildungszentrum Wolfen/Bitterfeld stattfindet, zur Ausbildung der Bayer-Lehrlinge. "Ganz wichtig heute im Arbeitsprozess ist die soziale Kompetenz", so Schellenberg. Über die Projekte, die teils praktischer, teils theoretischer Natur sind, lernen sich die 38 Azubis, die das Chemie-Unternehmen jedes Jahr für unterschiedliche Berufe einstellt, auch besser kennen. "Sie erfahren dabei auch: Jeder Beruf ist wichtig."
 
Und das hat wieder voll funktioniert. "Wir haben uns nicht nur einfach so kennen gelernt", meint Mirko Wagner, "es sind auch neue Freundschaften entstanden. Im normalen Ausbildungsalltag haben wir ja miteinander gar nichts zu tun - da kennt der Chemikant den Mechatroniker nicht und weiß auch nichts von seinem Beruf." Beeindruckt von den Ergebnissen und den Antworten, die die jungen Leute auf Fragen der heutigen Zeit gefunden haben, waren auch die Chefs: Olaf Richardt vom Bildungszentrum und Hans-Joachim Raubach von Bayer. "Alle haben sich intensiv beschäftigt", so Raubach. "Sie haben sich die Frage stellen müssen 'Wie gehen wir miteinander um'. Und sie haben Antworten gefunden." Das sei besonders wichtig. Denn so gehe es heute immer mehr um Themen wie Integration von Ausländern, um Gastarbeiter.
 
"Das könnte bei unserer demographischen Entwicklung auch hier, wie früher in Westdeutschland, ein Thema werden." Zunächst aber, damit überraschte Raubach die Azubis vor Weihnachten, endet für alle die Probezeit. Sie haben nun alle einen sicheren Lehrvertrag in der Tasche.
 

 
Tschechische Jugendliche absolvieren Teil ihrer Ausbildung im Berufsbildungszentrum

Jugendliche aus dem tschechischen Ort Usti nad Labem informieren sich derzeit im Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld über die hiesige Ausbildung zum Chemikanten. (MZ-Foto: André Kehrer)Wolfen/MZ. Azubis aus dem tschechischen Usti nad Labem informieren sich derzeit über die Ausbildung deutscher Lehrlinge im Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld. Auch sie sind auf dem Wege wie die hiesigen Jugendlichen, Chemikanten zu werden. Im Spätsommer war eine kleine Delegation deutscher Azubis der Bildungseinrichtung in Usti - aus gleichem Anlass.Diese gegenseitigen Arbeits-Besuche - die Jugendlichen lernen nicht nur das jeweilige Industrie-Areal und die spezielle Berufsausbildung kennen, sie experimentieren auch im Labor und stellen letztlich ein Produkt her - sind Teil eines speziellen, vom Land Sachsen-Anhalt und der EU geförderten Projektes: "Eleisa - Europäisches Lernen in Sachsen-Anhalt". Mit diesem Modellprojekt, das ab 2005 drei Jahre läuft, fördert das Qualifizierungsförderwerk Chemie neue Wege zur Internationalisierung der Berufsausbildung. Eingebunden sind Unternehmen, Bildungseinrichtungen sowie Sozialpartner. Im konkreten Fall sind es das Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld sowie die Bayer Bitterfeld GmbH.Erfahrungen wurden hier bereits im vergangenen Jahr gesammelt, als Jugendliche aus Polen hier waren. "Das gehört zu ihrem Ausbildungsprogramm - ein Lernbaustein ist die Förderung internationaler Kompetenzen", erklärt Renate Schiffel, stellvertretende Leiterin des Bildungszentrums. "Das soll den Jugendlichen helfen, später flexibler sein zu können. Das ist quasi ein Beitrag zum Thema ,Offenes Europa'." Letztlich, meint sie, lernen sich die Jugendlichen über die Arbeit besser kennen. "Chemie ist Chemie - das ist überall gleich."Genutzt hat das Bildungszentrum dazu seine über viele Jahre gehaltenen Kontakte. Vor allem zum Chemie-Standort Usti nad Labem waren sie traditionell sehr eng.
 


Berufsorientierung hautnah in der Praxis
 
Ob ein Beruf in der Chemie wohl das Richtige ist? Im Lehrlabor konnten es die Schülerinnen selbst probieren. Foto: NeumannWolfen (hn). Die Schülerinnen und Schüler aus Raguhn und Muldenstein sind um die vierzehn Jahre alt und wollen im Lehrlabor des Bildungszentrums Wolfen/Bitterfeld Berufsluft schnuppern. Auf die Frage, wer einmal in einen Beruf in der Chemieindustrie arbeiten möchte, meldet sich nur ein Mädchen. Der Praxistag habe sie in ihrem Berufswunsch Chemikant bestärkt, sagt sie. Die anderen sieben aus der Gruppe wissen indes nun ganz genau, dass ein Labor kein Arbeitsplatz für sie ist. Auch dies ist eine Erkenntnis. „Brafo - Berufswahl richtig angehen frühzeitig orientieren“, heißt das Modell-Projekt, das durch die Bundesagentur für Arbeit und das Land Sachsen-Anhalt aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert wird. Bildungszentrum und Euro-Schulen arbeiten dabei als Träger Hand in Hand. Jede der beiden Bildungseinrichtungen hat eine Mitarbeiterin für die Projektdauer bis Februar 2009 abgestellt. Karola Aschenbach ist Maßnahmekoordinatorin im Bildungszentrum, die ESO-Mitarbeiterin Susanne Ropport betreut das Projekt als Sozialpädagogin. Seit Juli sind die beiden Frauen mit „Brafo“ befasst. Zunächst galt es, die acht Sekundarschulen im Altkreis Bitterfeld vom Projekt zu überzeugen. In enger Zusammenarbeit mit der Schulleitung, unter Einbeziehung der Klassenlehrer und der Eltern wurde mit jedem einzelnen Schüler ein so genannter Eignungsscheck erarbeitet. So manche Wunschvorstellung musste bereits der Erkenntnis weichen, nicht die entsprechenden Voraussetzungen zu erfüllen. Letztlich konnten sich die Schüler aus acht Berufsfeldern vier auswählen, in die sie tiefer hineinschnuppern wollten. Den Auftakt bildeten die Schüler der Sekundarschulen Muldenstein und Raguhn. Bei der Anmeldung zeigten die 73 Mädchen und Jungen am meisten Interesse an dem Berufsfeld Lager/Handel/ Verkauf. An zweiter Stelle lagen /Garten-Landschaftsbau/Landwirtschaft. Platz drei auf der Beliebtheitsskala belegte Gesundheit/Soziales/Kosmetik/Körperpflege. Am wenigsten interessierte Chemie/Industrieproduktion. Sie tauschten nun zum ersten Mal die Schulbank gegen einen Praxisplatz. Schon nach wenigen Stunden relativierten sich Vorstellungen vom jeweiligen Beruf. Dass Friseure gute Kenntnisse in Chemie benötigen, wussten die Jugendlichen bereits. Wie anstrengend es aber ist, einen Fön richtig zu halten, erschreckte schon. Eine sozialpädagogische Auswertung erfolgt mit den Schülern und ihren Lehrern in den folgenden Wochen. Seit Montag haben die Schüler der Sekundarschulen Comenius und Helene Lange den Lernort gewechselt und erproben sich ihrerseits in acht Berufsfeldern.

 
Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld eröffnet Lehrjahr - Ausbildung in 16 Berufen

129 Jugendliche, die im Bildungszentrum (BZ) Wolfen-Bitterfeld und einem der über 40 Mitglieds- sowie 20 Verbundunternehmen des BZ lernen werden, hat am Mitwoch das neue Ausbildungsjahr begonnen. (MZ-Foto: Thomas Ruttke)Bitterfeld-Wolfen/MZ. Für 129 Jugendliche, die im Bildungs-zentrum (BZ) Wolfen-Bitterfeld und einem der über 40 Mitglieds- sowie 20 Verbundunternehmen des BZ lernen werden, hat am Mittwoch das neue Ausbildungsjahr begonnen. Zur Auswahl standen in diesem Jahr insgesamt 16 verschiedene Berufe.
 
Von 131 gebotenen Ausbil-dungsplätzen sind bis heute 124 besetzt. Unbesetzte Lehrstellen haben für Jürgen Heil, Vorsitzender des Vereins Berufs-vorbereitungszentrum Wolfen, heute vor allem damit zu tun, dass einige Jugendliche nicht den Anforderungen der Unternehmen genügen: "Rechenschwäche, schlechte naturwissenschaftliche Leistungen, ungenügende soziale Kompetenz und wenig Bereitschaft, sich zu engagieren - solche Schulabgänger will kein Unternehmen. Notlösungen kommen für die innovativen Firmen einfach nicht in Frage." Gebraucht von der Industrie würden zuverlässige, hoch qualifizierte und kreative Facharbeiter, so Heil. "Ein Arbeitsplatz heute entspricht einer Investition von mehr als einer Million Euro."
 
Dennoch: Jeder vierte Ausbildungsplatz in Deutschland wird vorzeitig verlassen. Im Bildungszentrum liegt die so genannte Abbrecherquote unter zehn Prozent. 96 Prozent aller Lehrlinge schließen mit einer erfolgreichen Prüfung ab. "Das", so Olaf Richard, Geschäftsführer des Bildungszentrums, "liegt weit über dem Bundesdurchschnitt." Zurück führt er das neben begeisterungsfähigen jungen Leuten vor allem auf engagierte und kreative Ausbilder. Von den rund 1 500 Azubis, die hier seit 1994 ihre Ausbildung nach der regulären Lehrzeit abschlossen, haben immerhin 95 Prozent danach einen Arbeitsvertrag bekommen.
 
Und die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt heute sind aufgrund der demographischen Entwicklung besser denn je, erklärte Landrat Uwe Schulze, der das Ausbildungsjahr 2007 / 08 im Kulturhaus Wolfen am Mittwoch offiziell eröffnete. 2020, so eine Prognose, wird über ein Drittel der Erwerbstätigen in Deutschland 50 Jahre und älter sein. 16 Millionen Menschen arbeiten dann weniger als jetzt. Schon jetzt, so eine Vertreterin von Akzo Nobel Base Chemicals, mache sich ein Defizit an qualifiziertem Facharbeiternachwuchs bemerkbar.