Auf dem Weg in die Zukunft beschreitet das Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld Wege, für die die Einrichtung schon frühzeitig den Grundstein gelegt hat. So wurde die Notwendigkeit, Bewerbungen um Ausbildungsplätze in regionalen Schwerpunktberufen zu schaffen, nicht dem Zufall überlassen. Denn stetig wurde auf Veränderungen reagiert und Angebote neu zugeschnitten. Und dieser Kurs wird konsequent weiter verfolgt. Selbst wenn es sich beispielsweise um einen praktischen Ausbildungsplatz handelt, für den es nur einen einzigen Bewerber gibt - noch. Denn abzusehen ist schon jetzt, dass Physiklaboranten künftig in größerer Zahl benötigt werden - insbesondere von innovativen Unternehmen wie Q-Cells. Was liegt in diesem Zusammenhang näher, als am Standort Bildungsangebote zu unterbreiten. Vielleichtg ist es auch ein Schritt in die Richtung, dass die Jugend hier ihre Chance bekommt und nicht mehr "auswandert".
Premiere von Erfolg gekrönt
WOLFEN/MZ. Von knisternder Spannung, die ansonsten bei Prüfungen vorherrscht, ist im Lehrlabor des Bildungszentrums Wolfen-Bitterfeld nur wenig zu spüren. Und noch etwas ist anders. Die 23-jährige Ruth Konieczny sitzt ganz allein im Prüfungsraum - recht gelassen, einen Laptop vor sich, in den sie Daten eingibt. In einiger Entfernung von ihr die beiden Prüfer.
"Das Erstellen einer Dokumentation ist der zweite Teil der Prüfung zum Physiklaboranten", so die erklärenden Worte des promovierten Prüfungsausschussvorsitzenden der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Jens Lange, gegenüber der MZ. Und der promovierte Praktikumsleiter des Bereiches Physik, Mathias Stölzer, ergänzt, dass es nur sehr selten vorkomme, dass man außer Haus diese Prüfung abnehme. "Physiklaboranten werden nicht sehr viele ausgebildet. Und fast alle kommen von unserer Universität - meist sind es auch nur zwei pro Jahrgang." Im Bildungszentrum ist es 2011 nur eine - Ruth Konieczny.
Da aber das Lehrlabor im Bildungszentrum über optimale Bedingungen verfüge, sei man diesmal "vor die Tür gegangen", meint schmunzelnd Mathias Stölzer. Erklärend setzt er hinzu, dass die Ausbildung zum Physiklaboranten mit dreieinhalb Jahren nicht nur zur längsten gehört und die Prüfung über zwei Tage geht, sondern "man muss relativ selbstständig arbeiten können."
"Gestern musste eine elektrische Schaltung entworfen und aufgebaut werden und heute ist das alles per Computer zu dokumentieren", sagt Jens Lange, der keinen Zweifel daran aufkommen lassen möchte, dass die 23-Jährige die Prüfung erfolgreich abschließen wird. "Allen, denen wir in den zurückliegenden Jahren die Prüfung abgenommen haben, fanden anschließend eine Festanstellung in ihrem Ausbildungsberuf", sagt Mathias Stölzer zu Ruth Konieczny gewandt, die aus dem Delitzscher Raum kommt und nach eigenen Worten schon immer gern experimentiert habe. Nach dem Abitur habe sie sich deshalb bei Q-Cells für eine Ausbildung als Physiklaborantin beworben - was klappte.
Das Unternehmen, das sich innerhalb weniger Jahre von einem der größten Solarzellenhersteller zu einem der führenden Photovoltaikunternehmen weltweit entwickelt hat, habe das Interesse bei der 23-jährigen geweckt und weil Solarkraftwerke - für die bei Q-Cells die Module gefertigt werden - zu den umweltschonendsten Energieerzeugern gehören.
Dass die 23-Jährige bis nach Jena fahren muss, weil keine Berufsschule in der näheren Umgebung dieses Fach anbiete, habe sie nicht von ihrem Plan abbringen können, Physiklaborantin werden zu wollen. Und deshalb sei sie sehr froh gewesen, das sie im Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld die praktische Seite dieses Berufes erlernen konnte - von Delitzsch mehr oder weniger ein Katzensprung.
"Für unsere Einrichtung war es vor dreieinhalb Jahren eine Premiere", erklärt Renate Schiffel, die stellvertretende Leiterin der Einrichtung, in der inzwischen zwei Azubis im dritten und zwei im ersten Ausbildungsjahr Physiklaborant lernen, die beim Solarzellenhersteller ihren Vertrag unterschrieben haben.
Vor allem Evelin Hieronymus, in deren Verantwortungsbereich alle naturwissenschaftliche Berufe liegen, und Michael Petruschka, Ausbilder in der Elektrotechnik, hätten sich nach Aussage von Renate Schiffel besonders intensiv mit dem neuen Berufsbild beschäftigt. "Es gibt ja auch Parallelen zu anderen Berufen, die wir hier schon länger anbieten", wirft Evelin Hieronymus ein. So konnte das Labor der Chemielaboranten für die Physikausbildung von Ruth Konieczny ebenso genutzt werden wie die Werkstätten der Elektroniker und Mechatroniker. "Wir wollten damit beweisen, dass auch wir in der Lage sind, Physiklaboranten auszubilden. Und durch Q-Cells ist eben auch die Nachfrage da", so Schiffel.