Aus Sachsen-Anhalt 20 Schulen beteiligt
 
Roitzsch/MZ - Beim Bundesfinale des Wettbewerbs "Starke Schule. Deutschlands beste Schulen, die zur Ausbildungsreife führen" wird Sachsen-Anhalt heute in Berlin von der Roitzscher Sekundarschule vertreten. Dabei ehrt Bundespräsident Wulff die 16 Landessieger, aus deren Reihen der Bundessieger ermittelt wird. Die Sekundarschule "Adolph Diesterweg" hatte im März den mit 5.000 Euro dotierten Landeswettbewerb 2011 gewonnen. Die Schule vermittelt in Kooperation mit Partnern aus Industrie und Mittelstand zahlreiche Praktika für einen ersten Einblick ins Berufsleben. Die Schüler werden mit den Ausbildungsmöglichkeiten in der Region vertraut gemacht, übernehmen Verantwortung für Sport- und kulturelle Angebote sowie für die Pausengestaltung. Absolventen werden weiterhin eingebunden, um Erfahrungsberichte und praktisches Wissen weiterzugeben.
 
Die Arbeit der Sekundarschule Roitzsch war bereits 2007 und 2009 mit dem 2. Platz im Landeswettbewerb gewürdigt worden. In diesem Jahr hatten sich 600 Schulen aus allen Bundesländern beworben, davon allein 20 aus Sachsen-Anhalt. Den Wettbewerb gibt es so seit vier Jahren. Er wird von der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, der Bundesagentur für Arbeit, der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der Deutsche Bank Stiftung durchgeführt und ist mit insgesamt 220.000 Euro dotiert.
 

 
Chemikant Andreas Kluth ist aus der Bitterfelder Firma A &F Hygiene nicht mehr wegzudenken. (FOTO: ANDRÉ KEHRER)BITTERFELD/MZ. Andreas Kluth hat straff zu tun. Die Mixtur im Rührbehälter ist fertig. Für mehrere Kunden muss er jetzt den Versand fertig machen - das heißt, Großkanister mit den verschiedenen Desinfektions- und Reinigungsmitteln abfüllen, sie in dem Raum stapeln, von dem aus sie abgeholt werden.
 
Kluth ist der jüngste Mitarbeiter der Bitterfelder Firma A &F Hygiene, die im Chemiepark ansässig ist. Vor wenigen Wochen hat er seine Abschlussprüfungen bestanden, nun ist er Chemikant. Und: "Ein ganz zuverlässiger Mitarbeiter, wir kennen ihn ja schon ein paar Jährchen", sagt Prokuristin Elke Reimann. Darauf ist sie stolz - und das hat seinen Grund. Denn Azubi Kluth war nicht immer so. Frau Reimann kann heute drüber lächeln. "Wir alle in der Firma haben ihn unterstützt, hier ein bisschen gezogen, dort ein bisschen geschubst. Jeder hat Anteil genommen."
 
Und dafür gab es unlängst eine schöne Belohnung: Von insgesamt 50 Chemikanten, die im Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld jetzt ihre Facharbeiter-Prüfungen bestanden haben, hat Andreas Kluth das viertbeste Ergebnis erzielt. "Das war eine Freude für uns", sagt Elke Reimann. Sie beobachte immer wieder, dass viele Firmen Azubis mit weniger guten Noten ablehnen. "Aber die Noten, das sehen wir an Andreas, sagen nicht alles. Was in den jungen Leuten steckt, das beweisen sie oft erst in der Produktion und im Team." Und da ist der junge Mann gut angekommen.
 
Ihre Erfahrung resultiert vor allem aus ihrer Mitarbeit im Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld, in dem sie viele Jahre als Vertreter ihres Unternehmens engagiert ist - jetzt sogar als dessen Vorstandsvorsitzende. Für A & F Hygiene ist es daher keine Frage, selbst auch Lehrlinge auszubilden. Obwohl die Firma mit sechs Mitarbeitern zu den kleinen gehört, ist auch sie bestrebt, Berufsnachwuchs zu rekrutieren und jetzt sogar auf der Suche nach einem Produktionsarbeiter gewesen. Andreas Kluth, der im Bildungszentrum in der Klasse der Bayer-Azubis gelernt hat, ist vor drei Jahren zu A & F Hygiene als Praktikant gekommen. "Ich hatte gar nicht daran gedacht, mich von einer Produktionshilfskraft zum Chemiekanten weiterzubilden", meint er und gibt zu, dass ihn in der Schule doch hin und wieder die Faulheit gelockt hat und andere Interessen im Vordergrund standen. "So richtig ernst genommen habe ich das alles nicht. Nach der Schule stand ich dann da und hatte nichts." Einem berufsvorbereitenden Jahr in den Euroschulen schloss sich der Gang zum Arbeitsamt an. Das verdonnerte den jungen Mann zu einer Ausbildung, über die er schließlich bei der resoluten Elke Reimann landete.
 
Andreas Kluth lacht etwas schüchtern. Reden ist nicht so seine Sache. Trotzdem sagt er: "Es macht Spaß hier - die Arbeit an sich ist ja ein bisschen wie Manufaktur. Und mit den Leuten haut es gut hin, hier hilft auch einer dem anderen." Kluth schaut auf die Uhr. Er hat zu tun und eigentlich keine Zeit zum Reden. Das, was er in seiner Firma gefunden hat und letztlich in sich selbst entdeckt hat, das hat ihn irgendwie beflügelt. "Ich will weitermachen - meinen Meister, ja. Das hätte ich selbst nicht von mir gedacht", meint der 21-Jährige.
 
Andreas Kluth ist der erste Azubi, den die A & F Hygiene GmbH fest eingestellt hat. Das Unternehmen, das seit 1993 am Markt ist, ist aus der Forschungsabteilung des CKB hervorgegangen. War der Abteilungsbereich zu DDR-Zeiten auf die Produktion von Flugzeugtoiletten spezialisiert, hat sich die Firma heute als Experte in einer Nische herausgebildet. Sie stellt Desinfektionsmittel, Sanitärflüssigkeiten und Algenbekämpfungsmittel her. Kunden sind Großhändler vor allem in Deutschland und in Frankreich.
 

 
Der 25. Februar 2011 war für 77 junge Frauen und Männer ein ganz besonderer Tag. Nach tagelangem Prüfungsstress am Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld erhielten sie ihre Facharbeiterzeugnisse ausgehändigt. 31 von ihnen hatten ihre Ausbildung bei der Bayer Bitterfeld GmbH absolviert, drei bei Dow. Die restlichen Ausbildungsplätze hatten 19 Unternehmen zur Verfügung gestellt. Vertrauen, das die Absolventen nicht enttäuschten, denn alle hatten die Abschlussprüfungen bestanden. Die meisten mit guten und gar sehr guten Ergebnissen. So war es nicht verwunderlich, dass ein großer Teil der Physik- und Chemielaboranten, Chemikanten, Industriemechaniker, Elektroniker für Automatisierungs- bzw. für Betriebstechnik nach der Abschlussfeier nicht nur ihre Abschlusszeugnisse in den Händen hielten, sondern zudem einen Arbeitsvertrag ihr Eigen nennen konnten.
 
Diejenigen, bei denen es noch nicht geklappt hat, sind im Bildungszentrum gut aufgehoben. Dort erfahren die Absolventen eine komplexe Betreuung und haben über den Bewerber-Pool gute Chancen auf eine Vermittlung auf den ersten Arbeitsmarkt. Die meisten Unternehmer haben verinnerlicht, dass sie angesichts der drohenden demografischen Entwicklung gut beraten sind, beizeiten beruflichen Nachwuchs in ihre Teams zu integrieren.
 
Diese Freisprechung machte es deutlich, Absolventen in naturwissenschaftlichen Berufen sind, einen guten Abschluss vorausgesetzt, gefragt wie nie.
 

 
Auf dem Weg in die Zukunft beschreitet das Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld Wege, für die die Einrichtung schon frühzeitig den Grundstein gelegt hat. So wurde die Notwendigkeit, Bewerbungen um Ausbildungsplätze in regionalen Schwerpunktberufen zu schaffen, nicht dem Zufall überlassen. Denn stetig wurde auf Veränderungen reagiert und Angebote neu zugeschnitten. Und dieser Kurs wird konsequent weiter verfolgt. Selbst wenn es sich beispielsweise um einen praktischen Ausbildungsplatz handelt, für den es nur einen einzigen Bewerber gibt - noch. Denn abzusehen ist schon jetzt, dass Physiklaboranten künftig in größerer Zahl benötigt werden - insbesondere von innovativen Unternehmen wie Q-Cells. Was liegt in diesem Zusammenhang näher, als am Standort Bildungsangebote zu unterbreiten. Vielleichtg ist es auch ein Schritt in die Richtung, dass die Jugend hier ihre Chance bekommt und nicht mehr "auswandert".

Premiere von Erfolg gekrönt

Ruth Konieczny, die erste Physiklaborantin, die im Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld ihre praktische Ausbildung absolvieren konnte, bei der Auswertung mit Mathias Stölzer (l.) und Jens Lange vom Prüfungsausschuss der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. (FOTO: ANDRÉ KEHRER)WOLFEN/MZ. Von knisternder Spannung, die ansonsten bei Prüfungen vorherrscht, ist im Lehrlabor des Bildungszentrums Wolfen-Bitterfeld nur wenig zu spüren. Und noch etwas ist anders. Die 23-jährige Ruth Konieczny sitzt ganz allein im Prüfungsraum - recht gelassen, einen Laptop vor sich, in den sie Daten eingibt. In einiger Entfernung von ihr die beiden Prüfer.
 
"Das Erstellen einer Dokumentation ist der zweite Teil der Prüfung zum Physiklaboranten", so die erklärenden Worte des promovierten Prüfungsausschussvorsitzenden der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Jens Lange, gegenüber der MZ. Und der promovierte Praktikumsleiter des Bereiches Physik, Mathias Stölzer, ergänzt, dass es nur sehr selten vorkomme, dass man außer Haus diese Prüfung abnehme. "Physiklaboranten werden nicht sehr viele ausgebildet. Und fast alle kommen von unserer Universität - meist sind es auch nur zwei pro Jahrgang." Im Bildungszentrum ist es 2011 nur eine - Ruth Konieczny.
 
Da aber das Lehrlabor im Bildungszentrum über optimale Bedingungen verfüge, sei man diesmal "vor die Tür gegangen", meint schmunzelnd Mathias Stölzer. Erklärend setzt er hinzu, dass die Ausbildung zum Physiklaboranten mit dreieinhalb Jahren nicht nur zur längsten gehört und die Prüfung über zwei Tage geht, sondern "man muss relativ selbstständig arbeiten können."
 
"Gestern musste eine elektrische Schaltung entworfen und aufgebaut werden und heute ist das alles per Computer zu dokumentieren", sagt Jens Lange, der keinen Zweifel daran aufkommen lassen möchte, dass die 23-Jährige die Prüfung erfolgreich abschließen wird. "Allen, denen wir in den zurückliegenden Jahren die Prüfung abgenommen haben, fanden anschließend eine Festanstellung in ihrem Ausbildungsberuf", sagt Mathias Stölzer zu Ruth Konieczny gewandt, die aus dem Delitzscher Raum kommt und nach eigenen Worten schon immer gern experimentiert habe. Nach dem Abitur habe sie sich deshalb bei Q-Cells für eine Ausbildung als Physiklaborantin beworben - was klappte.
 
Das Unternehmen, das sich innerhalb weniger Jahre von einem der größten Solarzellenhersteller zu einem der führenden Photovoltaikunternehmen weltweit entwickelt hat, habe das Interesse bei der 23-jährigen geweckt und weil Solarkraftwerke - für die bei Q-Cells die Module gefertigt werden - zu den umweltschonendsten Energieerzeugern gehören.
 
Dass die 23-Jährige bis nach Jena fahren muss, weil keine Berufsschule in der näheren Umgebung dieses Fach anbiete, habe sie nicht von ihrem Plan abbringen können, Physiklaborantin werden zu wollen. Und deshalb sei sie sehr froh gewesen, das sie im Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld die praktische Seite dieses Berufes erlernen konnte - von Delitzsch mehr oder weniger ein Katzensprung.
 
"Für unsere Einrichtung war es vor dreieinhalb Jahren eine Premiere", erklärt Renate Schiffel, die stellvertretende Leiterin der Einrichtung, in der inzwischen zwei Azubis im dritten und zwei im ersten Ausbildungsjahr Physiklaborant lernen, die beim Solarzellenhersteller ihren Vertrag unterschrieben haben.
 
Vor allem Evelin Hieronymus, in deren Verantwortungsbereich alle naturwissenschaftliche Berufe liegen, und Michael Petruschka, Ausbilder in der Elektrotechnik, hätten sich nach Aussage von Renate Schiffel besonders intensiv mit dem neuen Berufsbild beschäftigt. "Es gibt ja auch Parallelen zu anderen Berufen, die wir hier schon länger anbieten", wirft Evelin Hieronymus ein. So konnte das Labor der Chemielaboranten für die Physikausbildung von Ruth Konieczny ebenso genutzt werden wie die Werkstätten der Elektroniker und Mechatroniker. "Wir wollten damit beweisen, dass auch wir in der Lage sind, Physiklaboranten auszubilden. Und durch Q-Cells ist eben auch die Nachfrage da", so Schiffel.
 


Michael Jarschke, Kathrin Asmus und Ronny Ruprecht (v.l.) stehen vor der letzten Umschulungsprüfung. (FOTO: KEHRER)BITTERFELD/MZ. Sie waren Fliesenleger, Gärtner und Lagerist - und für sie alle war ihr Job nicht das, was sie sich einst vorgestellt hatten oder es gab andere Probleme. Jetzt stehen sie kurz vor der letzten Umschulungsprüfung im Bildungszentrum (BZ) Wolfen-Bitterfeld. Klappt die, haben Kathrin Asmus, Ronny Ruprecht und Michael Jarschke auch schon einen Arbeitsplatz.
 
Verschiedene Wege haben die drei jungen Leute im Bildungszentrum zusammengeführt. Während Ronny Ruprecht über den Berufsförderungsdienst der Bundeswehr zu seiner Umschulung kam, lief die Umschulung von Kathrin Asmus, die einige Zeit arbeitslos war, über die Agentur für Arbeit. Und Michael Jarschke, der seine Ausbildung als Facharbeiter für Lagerlogistik abgebrochen hatte, hatte selbst einen Betrieb gefunden, der ihm eine Ausbildung über das Programm "Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen" ermöglichte. "Ich hatte riesiges Glück", meint er, denn nie im Leben hätte er damit gerechnet, dass sich ihm nochmal so ein Weg auftut. Als quasi ungelernter Leiharbeiter war er zum Chemie-Unternehmen ICL in Bitterfeld gekommen. "Dort haben sie mich gefragt, ob ich bleiben will. Was Besseres hätte mir nicht passieren können. Jetzt habe ich eine richtige Ausbildung und die Arbeit in der Chemie, die macht mir auch deutlich mehr Spaß." Er habe für sich festgestellt: Es lohnt sich, hier 28 Monate durchzuziehen und was zu leisten.
 
Weniger kompliziert hört sich das Programm an, über das Ronny Ruprecht zu seinem Traumberuf kam. Der 29-jährige ehemalige Fliesenleger war acht Jahre bei der Bundeswehr. Schon dort sei ihm klar gewesen: er und der Bau - das geht nicht mehr zusammen, wenn er wieder im zivilen Berufsleben Fuß fassen muss. "Der Bund bietet Ausbildungen an für seine Leute", sagt er. So hat er sich entschieden, die Möglichkeiten des Berufsförderungsdienstes der Bundeswehr zu nutzen. Im August 2008 hat er seine Umschulung zum Chemiekanten im BZ begonnen. Am 8. Dezember, wenn er nach der letzten Prüfung seine Zeugnisse in der Hand hält, ist sie beendet. Und dass die Prüfung gut ausgeht, ist gleich doppelt in seinem Interesse - nicht nur, weil er "einen Beruf in einem Unternehmen, wie ich es mir vorgestellt habe" bekommt, sondern auch, weil er die Hälfte der Ausbildung selbst finanzieren musste. Dennoch: "In der Chemie sehe ich meine Zukunft", sagt er. "Und davon gibt es ja hier in Bitterfeld genug." Seinen künftigen Betrieb, Indulor, kennt der Zörbiger seit Ausbildungsbeginn.
 
Eine ganze Zeit war Kathrin Asmus bei der Agentur für Arbeit registriert, bis der Gärtnerin eine Vollzeitumschulung zum Chemikanten angeboten wurde. "Interesse an Chemie hatte ich schon immer", sagt sie, die mit ganzem Herzen beim Unternehmen UBW in Wolfen bei der Sache ist. "Das ist das, was ich mir vorgestellt habe - da ist Labor dabei und Technik. Das macht mir einfach Spaß." Besonders lobt sie die praxisbezogene Ausbildung. Die langen Praktika seien sehr gut für alle. "Wenn wir in den Firmen anfangen, ändert sich für uns nicht viel. Die Einarbeitungszeit haben wir ja schon."
 
Von insgesamt zehn Teilnehmern der modularen Umschulung dieses Jahrgangs, in dem Kathrin Asmus, Michael Jarschke und Ronny Ruprecht in der Klasse saßen, haben fünf ihren Arbeitsplatz nach bestandener Prüfung sicher. "Das ist das, was mich freut", sagt Renate Schiffel, die stellvertretende Leiterin des BZ, "denn es ist nach wie vor noch mühsam, Absolventen unterzubringen. Doch Leute, die arbeiten wollen und die natürlich gute Noten haben, die bekommen auch einen Job. Es lohnt sich also schon, in der Zeit bei uns was zu machen." Mit jedem Absolventen, meint sie, habe das BZ einen Beitrag zur Sicherung des Fachkräftebedarfs geleistet. Ist jetzt die Vermittlung zwar noch nicht ganz so einfach, wird sich das Blatt schon sehr bald gewendet haben.
 
Das Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld bildet in fast 30 Berufen aus, derzeit lernen hier 360 Azubis.
 
 


Die Schüler der Roitzscher Sekundarschule werden im Berufsorientierungsprojekt an die Praxis herangeführt. (FOTO: ANDRÉ KEHRER)WOLFEN/MZ. Mit 5 000 Euro unterstützt die Schreiner-Stiftung für Forschung und Bildung das Schulprojekt "Berufs-Orientierung berufsspezifisch", kurz BOB genannt, das vom Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld vor zwei Jahren auf den Weg gebracht worden ist. "Damit ist nun auch die dritte Staffel gesichert", freute sich der Geschäftsführer des Bildungszentrums, Olaf Richardt bei der Scheckübergabe am Dienstag. Denn für das vom Bundesministerium für Forschung und Bildung geförderte Projekt, das insbesondere Schülerinnen und Schülern der 9. und 10. Klassen bei der Berufsfindung helfen soll, fehlte bisher die Co-Finanzierung.
 
Mit der Schreiner-Stiftung, die seit 2003 Mehrheitsgesellschafter der Kesla Pharma Wolfen GmbH ist, habe man wieder ein Chemieunternehmen aus der unmittelbaren Nachbarschaft des Chemieparks für das Berufsorientierungs-Projekt gewinnen können, so Richardt. Denn im vergangenen Jahr habe die Wissenschaftsstiftung der Bayer Bitterfeld GmbH Geld zur Verfügung gestellt.
 
Die Stiftung, erklären Dr. Gerhard und Birgit Schreiner, die den Scheck überreichen, fördere Forschungs- und Entwicklungsprojekte auf dem Gebieten der Verhütung und Bekämpfung von Infektionserkrankungen und Seuchen, gebe Publikation von Forschungsergebnissen auf diesem Gebiet heraus und engagiere sich für die Aus- und Weiterbildung - wie beispielsweise im vorliegenden Fall. "Damit der Chemiestandort erhalten werden kann, braucht es Fachkräfte, brauchen wir junge Leute mit innovativen Ideen", unterstreicht Dr. Schreiner. Und deshalb fließe die Fördersumme, ohne die das Projekt zum scheitern verurteilt wäre, so Richardt, in moderne technische Ausrüstungsgegenstände, an denen Schüler wie Azubis gleichermaßen ihre praktische Ausbildung absolvieren. Wie Carola Aschenbach, Projektleiterin Berufsorientierung beim Bildungszentrum gegenüber der MZ sagte, nehmen inzwischen alle sechs Sekundarschulen (vor der Zusammenlegung waren es acht) im Altkreis Bitterfeld dieses Angebot in Sachen Berufsvorbereitung wahr - bisher bereits 500 Schüler.
 
Hineinschnuppern in den Beruf eines Chemiekanten beziehungsweise eines Pharmakanten konnten am Dienstag die Schüler einer neunten Klasse der Roitzscher Sekundarschule, mit der das Bildungszentrum schon lange Jahre eng zusammenarbeite. Dirk Höhle, Ausbilder im Technikum, erklärt den Jugendlichen nicht nur, was bei einer Rohrmontage zu beachten ist, sondern er führt sie auch gleich an die Arbeiten heran. Zwar werde es in einem Havariefall Spezialisten geben, die das Problem lösen, doch auch ein Facharbeiter müsse wissen, wie alles funktioniert.
 
Ronny Ruprecht, der gerade eine Umschulung absolviert und den Praktikanten ebenfalls mit unter die Arme greift, ist ein beredtes Beispiel dafür, weshalb diese berufsorientierten Praktika so wichtig sind. Denn auch er habe einen Beruf - Fliesenleger - gelernt, den der jetzt 28-Jährige nach seiner mehrjährigen Dienstzeit beim Bund an den berühmten Nagel gehängt hat, weil er für sich entschieden habe, dass dieser nicht das Richtige für ihn sei. "Im Dezember ist meine Umschulung zu Ende", meint der künftige Chemikant, dem bei erfolgreichem Abschluss eine feste Anstellung in Aussicht gestellt worden ist.
 
Die beiden Schülerinnen Lisa und Sarah sind noch unschlüssig, was die Chemielaufbahn betrifft. Doch Lisa meint, dass gute Chemiekenntnisse auch für ihren Wunschberuf, Krankenschwester, nach ihrer Meinung unerlässlich sind und spielt damit nicht zuletzt auf die Zusammensetzung von Medikamenten an.
 


Philip Burandt erhält seinen Lehrvertrag. Der Sandersdorfer beginnt jetzt im Bildungszentrum seine Ausbildung zum Facharbeiter für Abwassertechnik. Sein Lehrbetrieb ist die Chemiepark GmbH. (FOTO: THOMAS RUTTKE)WOLFEN/MZ. Was Daniel Reichenbach mit einer super Leistung geschafft hat, das müssen die neuen Lehrlinge des Bildungszentrums (BZ) Wolfen-Bitterfeld erst noch hinkriegen. Während der Mann aus Sachsen buchstäblich eine Stunde vor der Eröffnung des Lehrjahres in der Prüfung für seinen zweiten Facharbeiter schwitzt, sind die ersten Azubis auf dem Weg ins Kulturhaus gewesen. Dort haben Olaf Richardt, Geschäftsführer des BZ, und Chemieparkchef Matthias Gabriel das Ausbildungsjahr 2010 / 11 des Bildungszentrums eröffnet.
 
124 Schulabgänger starten in dieser Einrichtung ihre Ausbildung zum Facharbeiter. Sie kommen aus 45 Firmen der Region, die mit dem BZ kooperieren. Die Unternehmen stellen 108 Lehrstellen in 17 unterschiedlichen Berufen zur Verfügung, die Agentur für Arbeit 16. Ein gänzlich neuer Ausbildungsberuf in Sachsen-Anhalt ist auch dabei: Pharmakant.
 
Wie für die 450 Azubis, die derzeit insgesamt im Bildungszentrum lernen, wird auch für Philip Burandt die Nacht kurz sein. Denn um 6.30 Uhr ist Arbeitsbeginn. Der Sandersdorfer, dessen Ausbildungsbetrieb die Chemiepark GmbH ist, hat sich einen eher seltenen Beruf in der Umweltbranche ausgewählt. Er wird Abwassertechniker. "Ich denke, das macht mir Spaß. Das ist was abwechslungsreiches. Und ich muss nicht im Büro sitzen", erklärt er. Im Internet hat er sich ausgiebig informiert. "Ein Freund von mir macht das auch, der hat mir zugeraten."
 
Die meisten Lehrstellen stellt Bayer Bitterfeld zur Verfügung. 31 Azubis haben von diesem Unternehmen und seinen Tochterfirmen wie beispielsweise Lanxess oder Partnern wie Dow Chemicals den Zuschlag bekommen. Auch die Orbita Film GmbH Weißandt-Gölzau gehört mit zwölf Azubis zu den großen Ausbilder-Betrieben. Doch auch kleinere Firmen wie Heraeus, Miltitz Aromatics, Organica und andere stellen Plätze zur Verfügung - nicht zuletzt, um den eigenen Facharbeiterbedarf zu decken. "Ihr habt allerbeste Chancen für die Zeit, die nach der Ausbildung kommt", sagt Gabriel und verweist auf den Generationswechsel, der sich jetzt in vielen Firmen der Region vollzieht. "Es kann nicht schaden, sich anderswo umzuschauen. Doch egal, wo ihr seid, ihr werdet zurückkommen, weil es hier schön ist und weil hier eure Heimat ist. Zieht die Ausbildung durch, seid gut. Und kommt zurück."
 
Auf die Ergebnisse einer guten Berufsorientierung in den Sekundarschulen, in denen das ab der 7. Klasse Pflicht ist und die dabei mit Einrichtungen wie dem BZ und den Euroschulen zusammenarbeiten verweist Jürgen Heil, Vorstandsvorsitzender des Vereins Bildungszentrum. "Das stimmt die Wirtschaft optimistisch", ist er überzeugt. Haben vor noch nicht allzu langer Zeit in Sachsen-Anhalt noch rund 20 Prozent der Azubis die Lehre abgebrochen, weil der Beruf ihren Vorstellungen nicht entsprach, sei die Abbruchrate heute deutlich niedriger, so Heil.
 
Seit der Gründung des Bildungszentrums Wolfen-Bitterfeld 1994 haben hier weit über 2 000 Azubis nach der Verbundausbildung ihre Facharbeiterzeugnisse bekommen. Und das sei enorm. Immerhin liege die Erfolgsquote bei 97 Prozent. In diesem Jahr sogar bei 100 Prozent. Hinzu komme, so der Heil, dass jedes Jahr drei bis vier Absolventen von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Halle-Dessau als Super-Azubis ausgezeichnet werden. "Wir geben jeweils 1 000 Euro für Weiterbildung dazu", wirft BZ-Chef Richard ein.
 
Rund sechs Millionen Euro hat die Einrichtung seit Bestehen in die Optimierung der Ausbildung und die Ausstattung der Kabinette, Labors und Werkstätten investiert - 140 000 Euro allein in diesem Jahr.
 
Das Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld kooperiert in der Verbundausbildung mit 45 Firmen. In diesem Jahr sind vier neue Partner hinzu gekommen - unter anderem die Esra GmbH in Thalheim.