Spezielles Projekt der Arbeitsagentur ermuntert Ältere, sich für ihren Stammbetrieb mit einem dort gefragten Abschluss zu qualifizieren


WOLFEN/MZ. So einen Tag könnte es wohl öfter geben: Thomas Leutloff und Werner Goldacker haben am Freitag die süßen Früchte harter Arbeit geerntet. Der 44-jährige BMSR-Techniker und der 55-jährige Schlosser hatten sich nochmal zwei Jahre auf die Schulbank gesetzt und einen neuen Beruf erlernt. So sind sie nun Abwassertechniker und für ihre Arbeit im Abwasserzweckverband (AZV) Fuhne in Löbejühn (Saalekreis) richtig qualifiziert.
 
"Wir wollen Leute mit Fachwissen und wir wollen gute Mitarbeiter im Unternehmen halten", sagt Jürgen Haak, Chef des AZV. "Ich stehe auf dem Punkt: Jeder, der eine spezielle Arbeit macht, sollte auch einen richtigen Abschluss haben. Dann kann ich denjenigen nämlich auch zur Verantwortung ziehen, so bin ich als Chef auch abgesichert." Allerdings, so Haak, sei es nicht so einfach, jemanden zu finden, der die Leute fortbildet. Das Bildungszentrum (BZ) Wolfen / Bitterfeld habe nicht nur in der Erstausbildung einen guten Ruf, sondern auch in der Erwachsenenqualifizierung. Und das Team sei sehr flexibel.
 
Leutloff und Goldacker gehören zu jenen, die ihren neuen Berufsabschluss über das Projekt "Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen" (WeGebAU) erworben haben, das die Agentur für Arbeit fördert. Es ist ausgerichtet auf Arbeitnehmer, die älter als 45 Jahre sind und keinen Berufsabschluss haben oder seit mehreren Jahren an einem Platz arbeiten, für den sie nicht den passenden Abschluss vorweisen können. Das Angebot, teilt die Arbeitsagentur mit, wird von vielen genutzt. Ursprünglich war es ins Leben gerufen worden, weil sich die Anzahl der Arbeitsjahre bis zur Rente verlängert hat. Doch jetzt, da das Konjunkturpaket II aufgeschnürt wird, gibt die Agentur die Chance, auf diesem Weg einen Berufsabschluss zu erlangen oder sich auf seinem Fachgebiet zu qualifizieren, auch Jüngeren.
 
Leuthoff und Goldacker haben sie bestens genutzt: Beide, so steht es in ihren Zeugnissen, haben mit "Gut" abgeschlossen, im praktischen Teil sogar mit "Sehr gut". "Früher habe ich Werkzeugmaschinen repariert und jetzt bin ich Abwassertechniker", meint Goldacker und gibt zu, dass es manchmal hart war. "Ich wollte schon mal hinschmeißen. Aber der Ausbilder hat mich immer wieder aufgerichtet - der ist klasse. Heute bin ich froh, dass ich durchgehalten habe. Da bin ich schon stolz drauf." Ein Beruf im Bereich Umwelttechnik, sagt auch Thomas Leutloff, sei kein einfacher. Und die Arbeit sei heute auch nicht mehr vergleichbar mit der von früher. "Der ist vielseitig, man hat zu tun von der Elektronik bis zum Labor", sagt er. "Als ich gelernt habe, da gab es manches, was heute normal ist, noch gar nicht - die ganze Computer- und Prozessleittechnik. Damals fing das mit den Computern gerade an."
 
Insgesamt fünf Leute bildet das BZ über das WeGebAU-Projekt aus, das mit der Prüfung der Industrie- und Handelskammer endet. Alle haben sich für den Fachbereich Umwelttechnik entschieden. Und sie sagen: "Wir sind von den jungen Leuten hier gut aufgenommen. Letztlich schlagen sie sich mit den selben Problemen rum wie wir."
 

 
Der Begleitausschuss der EU tagte im Bildungszentrum und schaute sich die Umsetzung des Projekts «Brafo» an

 
Schüler probieren sich in unterschiedlichen Berufsfeldern aus. (MZ-FOTO: ARCHIV)WOLFEN/MZ/DOP. "Berufswahl-Richtig-Angehen-Frühzeitig-Orientieren (Brafo)", so nennt sich ein durch den Europäischen Sozialfonds, die Bundesagentur für Arbeit und das Land Sachsen-Anhalt finanziertes Modellprojekt, an dem sich das Bildungszentrum Bitterfeld-Wolfen beteiligt. Dabei werden den Schülern der Sekundarschulen im Altkreis Bitterfeld praktische Einblicke in den Berufsalltag gewährt. Bereits in der vergangenen Woche war ein aus 40 Mitgliedern bestehender "Begleitausschuss für den Einsatz von EU-Strukturfonds" am Bildungszentrum zu Gast, um sich vor Ort unter anderem von der Umsetzung des durch europäische Mittel mitfinanzierten Projektes zu überzeugen. Und so führte der Geschäftsführer, Olaf Richardt, die Mitglieder durch das Bildungszentrum und stellte das Berufsorientierungskonzept vor: "An vier Praxistagen lernen die Schüler der siebten und achten Klasse in unseren unterschiedlichen Ausbildungsstätten und denen der Euro-Schulen ein breites Spektrum an Berufen kennen."
 
Dabei können die Schüler zwischen vier Berufsfeldkategorien wählen, seien es nun die Dienstleistungs- und Logistikberuf, die gewerblich-technischen Berufe, die Verwaltungs- und Sozialberufe oder das Bauhandwerk und die grünen Berufe. Mit Erfolg, wie Richardt meint. Waren es im ersten Durchgang - Schuljahr 2007 / 2008 - 588 Schüler der siebten und achten Klassen, so sind es im zweiten Durchgang - also Schuljahr 2008 / 2009 - 285 Schüler der siebten Klassen. Damit deckt man im Altkreis Bitterfeld alle sieben Sekundarschulen vollständig ab.
 
Dadurch will man den Schülern die Gelegenheit geben, sich frühzeitig mit den eigenen Berufswünschen auseinander zu setzen und sich beruflich zu orientieren. Um die Interessen herauszufinden, werden mit jedem Schüler Einzelgespräche geführt, anschließend können sie entsprechende Bereiche unter "ausbildungsnahen Bedingungen" kennen lernen.
 
"Neben den Ausbildern sind immer auch Lehrlinge mit dabei", sagt Richardt, "denn das senkt die Hemmschwelle, Fragen zu stellen." Auch der Vorsitzende des Begleitausschusses und der Leiter der EU-Verwaltungsbehörde im sachsen-anhaltischen Finanzministeriums, Norbert Keller, zollt dem Bildungszentrum Anerkennung.
 
"Wir befassen uns ja mit konkreten Projekten", sagt er, "und die Präsentation in den Lehrwerkstätten war interessant und anschaulich." Aber nicht nur das. Mit der Förderung durch "Brafo" möchte man die Jugendliche zum einen begleiten, zum anderen aber auch als Fachkräfte binden.
 

 
0 Jahre war Uwe Zautke aus dem Beruf raus, jetzt will er wieder in der Chemie arbeiten. (FOTO: THOMAS RUTTKE)WOLFEN/MZ. Irgendwie passt er nicht so recht in die Truppe junger aufgeregt quasselnder Leute. Die Zeit, als er so vor dem Schulhaus stand, dürfte schon länger vorbei sein. Und doch wiederum passt er hin. Er gehört auch zu den jungen Leuten - zumindest für ein paar Wochen.
 
Uwe Zautke ist Azubi auf Zeit. Der 56-Jährige ist derzeit der älteste Lehrling im Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld. Der gelernte Chemielaborant will hier seine Berufskenntnisse auffrischen und erneuern. "Seit 20 Jahren bin ich aus meinem Beruf raus", sagt der freundliche, groß gewachsene Mann, "jetzt will ich wieder rein."
 
Doch um den Schritt auch mit Erfolg gehen zu können, fehlt ihm der Anschluss. Das Leben, meint er, ist schließlich weiter gegangen - auch in dieser Branche. "Man darf sich nur nicht hängen lassen", hat er erkannt.
 
Doch: Wie verschlägt es einen aus Castrop-Rauxel nach Bitterfeld-Wolfen? Die Antwort ist einfach, und so guckt Zautke auch ein wenig verwundert. "Ruhrgebiet", sagt er nur und hofft, dass sein Gedankengang verständlich wird. Na klar: Chemie. "Ich habe was gesucht, wo ich eine Weiterbildung machen kann", erklärt er. "Das ist in meinem Alter natürlich schwierig. Bei mir daheim gab es in der ganzen Region gar nichts. Hier habe ich es schließlich über das Internet gefunden." Bezahlt wird die Fortbildung über die Agentur für Arbeit. Seit April hat er nun den Status Azubi und sitzt mit den viel Jüngeren auf der Schulbank beziehungsweise steht er mit ihnen im Lehrlabor des Bildungszentrums.
 
Dort macht er durchaus nicht den Eindruck eines Außenseiters. "Ich hatte noch nie Anpassungsschwierigkeiten, mein Leben lang hab ich mit jungen Leuten zusammen gearbeitet. Das ist doch gut", stellt er klar und lacht. "Besser, als von vergrämten alten Menschen umgeben zu sein, die über ihre Zipperlein reden." Doch ist das, was Zautke hier macht, kein Spaß. Am Ende seiner halbjährigen Fortbildung verlässt er das Bildungszentrum mit einer Beurteilung seiner Leistungen. Die, so hofft er, öffnet ihm die Türen zu seinem neuen Job. Denn jetzt, da er zugibt, 20 Jahre nicht in der Chemie gearbeitet zu haben, bleiben ihm die Türen bei vielen Unternehmen verschlossen.
 
In den zurückliegenden Jahren hat Zautke sich "kaufmännisch betätigt" - in Russland, Saudi Arabien und anderswo im Ausland. Dann, als die wirtschaftliche Krise sich abzuzeichnen begann, hat er sich auf seinen alten Beruf, den er bei der Deutschen Babcock, bei Hüls und Ruhrzink mal ausgeübt hat, besonnen. "Chemie, das ist was Solides", hat er festgestellt. "Da weiß man, was man hat." Das will er wieder. Wo - das ist dem Alleinstehenden nicht so sehr wichtig. Findet er hier in der Gegend einen Job, meint er, bleibt er hier. "Wenn nicht, dann nicht. Ich spiele ja auch ein bisschen mit dem Gedanken, wieder ins Ausland zu gehen", so Zautke.
 
Doch ein bisschen hat er sein Herz schon an die Region hier verloren. Das hat auch zu tun mit den Leuten, mit denen er hier zusammen arbeitet. "Ich bin hier sehr gut aufgehoben. Die Ausbilder - alle Achtung! Die Mühe, die sie sich geben. . ."
 
Und auch seinem Hobby kann er hier frönen. Für den Freizeit-Insektenforscher gibt es hier nämlich allerhand zu beobachten.