Pharmakanten können ab August auch in Sachsen-Anhalt ausgebildet werden. IHK hat Projekt mit Zukunft gestartet.

Das Bitterfelder Berufsschulzentrum „August von Parseval“ wird ab August, also mit Beginn des neuen Schuljahres, erstmals auch Pharmakanten ausbilden. Das wurde auf der gestrigen Konferenz deutlich, zu der das Bildungszentrum der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (IHK) eingeladen hatte. „Das Kultusministerium hat zugestimmt, dass in unserer Einrichtung eine Regionalfachklasse gebildet werden kann“, sagte Schulleiter Rainer Woischnik nicht ganz ohne Stolz. Denn bisher, so die IHK-Projektmitarbeiterin Claudia Schröder, mussten die Auszubildenden die Berufsschule in Radebeul, also in Sachsen besuchen.

Initiiert hatte das ganze das IHK Bildungszentrum vor einem Jahr, und zwar über ihr Jobstarter-Projekt „Zukunft Pharma“, das von der EU gefördert wird. Bei einer ersten Zusammenkunft hatten damals sechs Firmen ihre Zusage erteilt, insgesamt 15 Pharmakanten auszubilden, wenn dies im Raum Bitterfeld-Wolfen möglich wäre. Da die praktische Ausbildung aber sehr vielschichtig sei und der Ausbildungsbetrieb nur in den seltensten Fällen alle geforderten Richtungen der Arzneimittelherstellung vorhalten kann, sei man froh über Einrichtungen, die einen weiteren praktischen Teil übernehmen. Dazu gehört auch das Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld, das schon seid vielen Jahren ein verlässlicher Partner des Berufsschulzentrums sei. Um immer au dem neusten Stand der Technik zu sein, wurde der stellvertretenden Geschäftsführerin Renate Schiffel betont, werde auch sehr großes Augenmerk auf die Weiterbildung der Lehrer und Ausbilder gelegt. Mindestens einmal im Jahr werde eine Exkursion durchgeführt. Auch die Lehrer, sie künftig den praktischen Teil der Pharmakantenausbildung im Berufsschulzentrum übernehmen werden, sind an Lehrgängen in Pharmaunternehmen interessiert, weil man in gewisser Weise ja Neuland betrete, wurde gestern deutlich unterstrichen.

„Da wir jetzt nur noch ein reiner pharmazeutischer Betrieb sind, sind wir an einer Ausbildung vor Ort natürlich interessiert“, griff Regina Hölzel, die bei Bayer auch für die Ausbildung verantwortlich zeichnet, den Faden auf und erklärte, dass bisher rund 20 Bewerbungen eingegangen sind. Drei oder vier würde das Unternehmen übernehmen. Auch bei der Mibe GmbH Arzneimittel Brehna habe man schon angeklopft. Das Auswahlverfahren laufe in den Unternehmen jetzt.
 


BERUFSORIENTIERUNG Der Chemiepark und das Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld haben für Schulabgänger einen Tag der Berufe initiiert, an dem sich 21 Unternehmen beteiligten.

WOLFEN/MZ - Ganz akribisch hat Nikolai Plückhahn seinen Start ins Berufsleben vorbereitet. Fast 80 Firmen mit ihren Ausbildungsangeboten hat der Berliner unter die Lupe genommen. Entschieden hat er sich für die Vereinigte BioEnergie AG (Verbio), die im Chemiepark Biodiesel und in Zörbig Bioethanol herstellt. Der künftige Chemikant sagt: "Ich hatte von Anfang an ein gutes Gefühl. Und bisher hat sich alles bewahrheitet, was im Bewerbungsgespräch zur Sprache kam." Er ist begeistert. Auch sein Azubi-Kollege Danny Albrecht aus Merseburg, der als Chemikant seinen Traumberuf gefunden hat. Gestern haben beide ihr Unternehmen zum Tag der Berufe vertreten und mit Schülern über ihre bisherigen Erfahrungen gesprochen.

Den Tag der Berufe haben P-D ChemiePark Bitterfeld-Wolfen und Bildungszentrum (BZ) Wolfen-Bitterfeld ausgerichtet, um Schulabgängern eine berufliche Perspektive aufzuzeigen - und zwar in der Region. Vor allem gehe es darum, so die stellvertretende Leiterin des BZ, Renate Schiffel, sie mit Chemie-Berufen bekannt zu machen. 21 Unternehmen aus dem Chemiepark, die Kooperationspartner der Bildungseinrichtung sind, haben sich beteiligt. Sie informierten über Ausbildungsberufe, Anforderungen und Entwicklungschancen.
 

"Ich hatte von Anfang an ein gutes Gefühl."
Nikolai Plückhahn, Azubi bei Verbio

Monique Beau, Nicole Buge und Lisa Rickelt aus Muldenstein liebäugeln zwar nicht so mit der Chemie, doch gekommen sind sie trotzdem. Sebastian Langner meint: "Ich will Einzelhandelskaufmann werden, aber als Ausweg würde ich auch in die Chemie gehen. Und zwar zu Miltitz." Am Stand dieses Unternehmens, Hersteller von Wirkstoffen für Düfte und Aromen, ziehen Azubis und Meisterin Claudia Fortuna mit kleinen Experimenten die Aufmerksamkeit auf sich. "Wir wollen die Altersstruktur beibehalten", sagt die Meisterin. "Und das heißt auch, nach neuen Mitarbeitern, Ausschau zu halten."
 
Von Anfang an Partner des BZ sind Tricat und Südchemie. Marco Kulmann, Chemikant im ersten Lehrjahr bei Tricat, kann von A bis Z erklären, wie die Regeneration von Katalysatoren - das Kerngeschäft der Firma - funktioniert. Und das tut er mit Begeisterung. Er ist einer von derzeit drei Azubis. Für Tricat hat er sich entschieden, weil er überzeugt ist, dass das eine Firma mit Zukunft ist. "Die Chancen, übernommen zu werden, stehen bei uns günstig. Und es ist eine gute, sichere Arbeit", sagt Mechatronik-Ingenieur Matthias Ulrich.
 
Über einem Fragebogen, den sich Azubis im BZ ausgedacht haben, haben Mädchen der Roitzscher Diesterweg-Schule die Köpfe gebeugt. Schon nicht so einfach, die Antworten zu finden, meinen sie. Dieser Effekt ist beabsichtigt, gibt Marco Kulmann lachend zu: "Da müssen sie nämlich fragen." Doch die Mädchen lassen sich nicht aus der Ruhe bringen. Auch sie haben wie die Muldensteiner mit Chemie wenig viel am Hut -mehr mit Sozialberufen. Sie wissen, wovon sie reden. Mit Berufsberatung wird in Roitzsch schon in der 5. Klasse begonnen. Praktika geben Orientierung. "Ich weiß, das Soziale liegt mir", sagt Sarah Sopper. Und deshalb will sie auch in der Branche arbeiten. Doch sich am Tag der Berufe mal umzuschauen, das kann ja nichts schaden, meinen die Mädchen.
 
Mit der Resonanz ist BZ-Leiter Olaf Richardt ganz zufrieden: "Entscheidend ist, ob die Zusammenführung von künftigen Azubis und Unternehmen klappt. Sofern das funktioniert, ist die Welt in Ordnung." Und Chemiepark-Chef Dr. Michael Polk sagt: "In zwei bis drei Jahren werden Lehrstellen schwer adäquat zu besetzen sein. Die Suche nach qualifizierten Fachkräften wird ein Problem. Wir sind froh, dass das Bildungszentrum sich da so engagiert." Er habe hier erlebt, dass Schüler Informationen brauchen und dass die Firmen junge Leute suchen. "Das ist letztlich eine gemeinsame Interessenslage."
 

 
Lanxess-Mitarbeiter Andreas Hulsch schließt als «Bester des IHK-Bezirks» Halle-Dessau ab
 
Andreas Hulsch hat als Bester des IHK-Kammerbezirks seine Meisterausbildung absolviert. (FOTO: ANDRÈ KEHRER)BITTERFELD/MZ. Manchmal ist es kurios, wie das Leben so spielt. Auch Andreas Hulsch weiß das. Der junge Mann lächelt. "Noch vor 15 Jahren wollte ich mit Chemie nichts zu tun haben. Und heute arbeite ich in der Chemie und fühle mich wohl", sagt er. Und nicht nur das: Hulsch hat inzwischen einiges erreicht in der Branche.
 
Der Dessauer, der wohl das Abitur in der Tasche hatte aber "lieber erstmal was Praktisches lernen als studieren" wollte, arbeitet als wissenschaftlich-technischer Mitarbeiter im Bereich Produktion beim Unternehmen Lanxess in Bitterfeld. Hier werden Ionenaustauscher produziert, Stoffe, die in Branchen wie der Halbleiterindustrie, in Kraftwerken, im Haushalt und anderswo eingesetzt werden, um vor allem Wasser zu enthärten und zu entsalzen.
 
Sich auf dem Erreichten ausruhen, das allerdings ist nicht seine Sache. "Ich wollte mich qualifizieren", sagt er. "Ich bin schon der Meinung, dass da geistig immer noch was gehen muss - auch im Hinblick, mal weiter zu kommen, mal verantwortliche Aufgaben zu übernehmen." Vor drei Jahren begann der einstige Bayer-Azubi so die Qualifizierung zum Industriemeister Chemie im Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld. "Das Bildungszentrum kannte ich schon, wir hatten dort ja unsere Ausbildung", sagt er. "Und die war gut. Also habe ich mich auch bei der Qualifikation wieder dafür entschieden."
 
Im Bildungszentrum wird die Fortbildung zum Industriemeister seit 1994 angeboten - jedes Jahr schließt jeweils eine Klasse ab. Weit über 100 Frauen und Männer haben hier seitdem eine solche Qualifizierung abgeschlossen, die in den Fachbereichen Chemie, Elektrotechnik und Metallverarbeitung angeboten wird. Die Besten unter ihnen werden von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Halle-Dessau unterstützt.
 
Hulsch hat seinen Lehrgang, der im Sommer mit der letzten Prüfung endete, als bester Industriemeister seines Jahrgangs im Kammerbezirk Halle-Dessau abgeschlossen. "Für mich selbst war das schon ein Erfolgserlebnis, weil ich ja früher mit Chemie gar nichts am Hut hatte", erklärt er. "Ja, aber vom Notendurchschnitt besser zu sein als alle anderen, das war mir in dem Moment nicht so wichtig."
 
Hulsch liebt große Auftritte gar nicht, lieber bleibt er bescheiden im Hintergrund und sagt Sätze wie: "Das war schon viel - lernen, der Lehrgang in der Freizeit, die Arbeit in Schichten. Aber es war zu meistern. Doch viel Zeit für meine kleine Tochter, die in der Zeit gerade geboren wurde, hatte ich da gar nicht."
 
Im Unternehmen geht sein Arbeitsalltag indes weiter wie bisher. Seit elf Jahren arbeitet Hulsch hier in Schichten als Prozessleittechniker, wo er das Leitsystem des Produktionsprozesses betreut, auftretende Fehler finden und beheben muss. "Vom Computer bis zu den Geräten vor Ort", sagt er. "Doch ich denke schon, dass ich mit meiner Qualifikation eine Chance habe, auch mal eine neue Aufgabe zu übernehmen."