Erste Fachtagung zur Nachwuchssicherung in der Region

Bei der ersten Fachtagung in Brehna zur Nachwuchssicherung im Chemiedreieck wurden die Probleme benannt und Auswege aufgezeigt. Foto: NeumannBrehna (red). Jugendliche, die - vergeblich auf einen Ausbildungsplatz wartend - seit Jahren von einer „Maßnahme“ zur nächsten geschliffen werden, ohne dass sich ihre Chancen auf dem Ausbildungsmarkt wesentlich verbessern. Junge Auszubildende, die frustriert erkennen, den falschen Beruf zu erlernen und daher die Ausbildung abbrechen. Unternehmer, die sich die Haare raufen angesichts der ungenügenden Vorkenntnisse und mangelnden sozialen Kompetenzen der Schulabgänger. Lehrer, die sich täglich mühen und doch immer wieder mit der ungenügenden Ausbildungsfähigkeit ihrer Schüler konfrontiert werden. Das etwa waren die Problemlagen, die bei der ersten Fachtagung zur Nachwuchssicherung im mitteldeutschen Chemiedreieck in Brehna aufeinander prallten. Mit neuer Qualität gegen demografischen Wandel Jeder Diskussionsbeitrag war sachlich und - aus dem jeweiligen Blickwinkel des Redners betrachtet - nachvollziehbar. Dennoch machte die Debatte eines deutlich: Mehr Abstimmung, mehr Kooperation, mehr Moderation ist notwendig, um neue Qualitäten zu entwickeln. Und die werden dringend benötigt. Der demografische Wandel gebietet es. Das Schlüsselwort des Tages lautete Berufsorientierung unter Berücksichtigung regionaler Bedarfe. Künftig wird es nicht mehr darum gehen, jedem Schulabgänger einen Ausbildungsplatz zur Verfügung zu stellen, sondern einen, den die regionalen Arbeitgeber benötigen. Mehr Ausbildungsplätze als Schulabgänger Und das werden in den nächsten Jahren bedeutend mehr sein als es Schulabgänger geben wird. Schon heute lässt zumindest ein Teil der Unternehmer die Alarmglocke läuten und einen Fachkräftemangel anzeigen. Insbesondere viele Handwerksmeister sind auf der Suche nach geeigneten Lehrlingen. Da ist es nicht hinzunehmen, dass Schüler auf Grund mangelnder Kompetenzen oder fehlender Motivation von einer Berufsausbildung von vornherein ausgeschlossen werden. Ungewohnte Wege Die Teilnehmer der Fachtagung waren sich einig: Ein jeder von ihnen muss seinen Part leisten und bereit sein, auch bis dato ungewohnte Wege gehen. Unternehmer müssen über die Lehrer den Kontakt zu Schülern und Schule aufbauen, Lehrer den Schulterschluss mit Eltern suchen, Politik und Verwaltung die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. Vieles ist bereits in Bewegung geraten, doch noch fehlt die notwendige Dynamik. Im Ergebnis der Tagung wurden als Schlussfolgerung zwei Notwendigkeiten benannt: eine intensivere Kommunikation und eine ganz pragnatische engmaschige Vernetzung aller Akteure. Eine Aufgabe, der sich die Initiative „Julia - Junge Leute in Ausbildung“, ein Projekt des Bildungszentrums Wolfen-Bitterfeld, annehmen wird. Dabei werden auch neue Wege beschritten, wie ein Chatangebot für Jugendliche.
 

 
Schüler informieren sich im Lehrlabor

Experimentieren im Lehrlabor des Bildungszentrums dürfen in diesen Tagen die Schüler der 9. Klasse der Erich-Weinert-Schule Wolfen. (Foto: MZ)Bitterfeld/MZ. Mathias Krusch ist die längste Zeit Azubi gewesen. Nur noch ein paar Wochen, dann hat der Bayer-Lehrling seinen Abschluss in der Tasche. Und dann beginnt für ihn der Berufsalltag in einem Forschungsunternehmen in Heidelberg.
 
In dieser Woche jedoch haben er und weitere Azubis von Bayer im 3. Lehrjahr noch eine ungewöhnliche Aufgabe zu erfüllen: Sie leiten Schüler der 9. Klasse der Wolfener Erich-Weinert-Schule fachlich an, die im Lehrlabor des Bildungszentrums Wolfen-Bitterfeld ein Praktikum absolvieren. Das ist Teil der Ausbildung, erklärt Krusch. Denn für die Bayer-Azubis steht unter anderem das Thema Gruppenarbeit auf dem Plan, bei dem sie lernen sollen, gemeinsam ein Projekt zu bearbeiten, bei dem sie Teamarbeit trainieren und letztlich soziale Kompetenz erwerben sollen. In diesem Jahr stellten sie einen Wochenplan für die Arbeit von Schülern im Labor und in den Werkstätten des Bildungszentrums zusammen und leiten sie während der ganzen Zeit an. Obwohl Mathias Krusch den Schülern nur "mäßiges Interesse" im Labor attestiert, bekommen sie so einen kurzen Einblick in einen für sie möglichen Beruf.
 
Für Sabine Hölzke und Thomas Dietrich ist eine Arbeit in der Chemiebranche nicht das Richtige. Das haben sie schon in der Schule festgestellt, und nun im Lehrlabor bestätigt sich das, geben sie zu. Doch dass sie hier so richtig im großen Maßstab experimentieren können, das macht schon mal Spaß. "In der Schule haben wir ja gar nicht die Möglichkeiten", sagt Thomas. Die Projektwoche ist auch für Chemielehrerin Andrea Hartung eine neue Erfahrung. "Hier ist Chemie eben anschaulicher als in der Schule, die Schüler machen selbst etwas - das ist schon anders als Formeln an der Tafel", stellt sie fest.
 
Sinn der Projektwoche ist es, den Schülern, die sich in Kürze für einen Beruf entscheiden müssen, die Möglichkeit zu geben, sich direkt und praktisch zu informieren, Interesse zu wecken. "Doch selbst, wenn sie merken: ,Das hier ist nicht mein Ding' haben wir ja doch etwas erreicht." Bayer, eins von über 50 Mitgliedsunternehmen des Bildungszentrums, hatte vor Jahren initiiert, auf diesem Weg Schülern die Chemie interessant zu machen. "Dass sich hier 9. Schulklassen auf diese Art und Weise informieren, das hat schon eine gewisse Tradition", sagt Dirk Höhle, Ausbilder im Labor. "Und das ist ja richtig so, denn die Schüler stehen bald schon vor der Entscheidung für einen Beruf." In den nächsten Tagen erhalten sie Einblick in weitere Berufe, die das Bildungszentrum anbietet.
 


Gemeinschaftsklärwerk bildet ersten Azubi im Technik-Bereich aus
 
Sarah Oschem wird im Gemeinschaftsklärwerk zum Industriemechaniker ausgebildet und ist damit hier der erste Azubi im Technik-Bereich. (Foto: MZ)Bitterfeld-Wolfen/MZ. Von hier oben sieht die Welt schon ein bisschen anders aus - die riesigen Bioreaktoren des Gemeinschaftsklärwerkes vor sich im Blick, unter sich sämtliche Anlagen und kilometerlangen Rohrleitungen.
 
Für Sarah Oschem, künftiger Azubi im Unternehmen, ist das kein neuer Anblick. Die 17-jährige wird Industriemechaniker werden. Ein typischer Männerberuf? Die Greppinerin lächelt. "Warum denn? Mir liegt das und es macht mir Spaß", antwortet sie. Während ihres Praktikums hat sie das Unternehmen kennen gelernt und sich schon mal in der Werkstatt eingearbeitet.
 
"Sarah kann schon mühelos eine Pumpe auseinander nehmen und sie wieder so zusammenbauen, dass sie auch funktioniert", lobt Instandhaltungsleiter Heinz Materna Können und Interesse des ersten Azubis im Technikbereich des Klärwerkes überhaupt. Bislang wurden Entsorger und Laboranten ausgebildet - vier Azubis sind in jedem Jahr im Unternehmen beschäftigt. Aus eigenem Antrieb und außerhalb der Schule hat Sarah Oschem bereits einen Schweißerlehrgang absolviert. Alles das und gute Noten in der Fachoberschule sind für die Klärwerks-Chefs Regina Egert und Stefan Basse gute Argumente, mit der jungen Frau den Ausbildungsvertrag abzuschließen. Als Kooperationspartner sind Das Berufsschulzentrum "August von Parseval" sowie das Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld im Boot.
 
Das Gemeinschaftsklärwerk, das seine Anlage jetzt so erweitern wird, dass die Kapazität um 50 Prozent erhöht werden kann, wird für den neuen Bereich vier Arbeitskräfte benötigen. "Wir gucken in die Zukunft und suchen unsere Azubis durchaus mit Blick auf die neue Anlage aus", sagt Basse. Derzeit sind 50 Mitarbeiter im Gemeinschaftsklärwerk, das rund um die Uhr in Betrieb ist, beschäftigt.