Fortbildung heißt das Zauberwort - auch für gestandene Fachleute wie hier im Bildungszentrum. (BILD: André Kehrer)
 
Fortbildung in Modulen lockt Interessenten aus ganz Deutschland in das Bitterfelder Bildungszentrum. Dabei gibt es Angebote wie Qualitätssicherung in Pharmazieunternehmen, Umweltanalytik, oder im Chemiebereich. Die Modularisierung ist ein Alleinstellungsmerkmal.

Wolfen/MZ. Den letzten Schliff will sich Enrico König hier holen - im Lehrlabor des Bildungszentrums (BZ) Wolfen-Bitterfeld. Der junge Biologe hat gerade in Oldenburg promoviert. Jetzt ist er auf der Suche nach einem Job. Nicht irgendwo, sondern an der Grenze zur Schweiz. Dort, weiß er, gibt es hinreichend Pharma-Unternehmen, die auf Leute wie ihn setzen. Doch eins hat ihm im Laufe seines Studiums gefehlt - umfassende Praxis und zwar im Bereich Qualitätssicherung. „Das ist gefragt“, sagt er, „das habe ich bei Bewerbungsgesprächen gemerkt. Mit der Qualifikation erhoffe ich mir jetzt einfach bessere Chancen.“

Zwei Intensivkurswochen im BZ liegen jetzt hinter ihm. Auf die Bildungseinrichtung ist er über das Internet aufmerksam geworden, das Portal für berufliche Aus- und Weiterbildung der Arbeitsagentur. In dem ist das BZ vertreten und zwar mit einem Angebot, das die stellvertretende Leiterin der Einrichtung, Renate Schiffel, „ein Alleinstellungsmerkmal“ nennt: Das BZ bietet Ausbildung in Modulen an. Leute wie Enrico König können sich das Modul aussuchen, das für sie passend ist oder es auch mit anderen kombinieren. „Das bieten wenige“, so König. Diese Erfahrung hat er während seiner Suche gemacht. In Wolfen hat er gefunden, was er wollte.

Monique Stascheid aus Hamburg hat es aus dem gleichen Grund nach Wolfen gezogen. Die Umweltschutztechnikerin bleibt insgesamt sechs Monate hier, um in den Bereich Umweltanalytik einzudringen. „Das, was wir an Analytik in der Ausbildung hatten, das reicht nicht, habe ich gemerkt. Und speziell Umweltanalytik wurde gar nicht vermittelt. Das hole ich hier auf.“ Auch aus dem Schwarzwald, aus Nordrhein-Westfalen, dem Harz, von der Küste sowie aus der näheren Region haben sich Leute hier für eine gewisse Zeit eingeschrieben, um vor allem in der Qualitätssicherungspraxis fit zu werden. „Das ist längst nicht mehr nur auf die Region beschränkt, die Leute kommen heute aus ganz Deutschland zu uns“, sagt Schiffel. „Wir bieten die Lehrgänge individuell an und sehen zu, dass die Teilnehmer sie so effektiv wie möglich absolvieren können.“ Das stelle auch neue Anforderungen an die Ausbilder: Sie müssene die „Lehrlinge auf Zeit“ und die regulären Azubis unter einen Hut bringen. Und: Sie müssen fit sein im Umgang mit Doktoren und Diplomchemikern. Das bedeutet, sich regelmäßig zu qualifizieren. „Das ist klar“, sagt Evelyn Hieronymus, seit 22 Jahren Ausbilderin im Lehrlabor, „gerade in der Qualitätssicherung geht es schnell voran. Manchmal lerne ich auch davon, was andere wissen.“

Auch Frauen und Männer sind hier, die früher mit Chemie zu tun hatten, zwischenzeitlich in einem anderen Beruf arbeiteten und nun in ihre alte Branche zurück wollen. Wie Carina Staszewski, deren Job der Schlecker-Pleite zum Opfer fiel. Oder Simone Dudda, die „24 Jahre lang betriebsfremd unterwegs“ war, wie sie sagt. Sie wird 16 Monate hier lernen und schließt dann mit der Prüfung der Industrie- und Handelskammer ab. Das volle Programm an Ausbildung - 28 Monate - nimmt Martin Fahnert aus dem Süden Deutschlands mit. Der Verwaltungsmitarbeiter wollte umschulen und zwar im Bereich Chemie. „Das hat mich immer schon interessiert“, sagt er. „Aber bei uns im Schwarzwald gibt es nicht so viele Ausbildungen im Chemie-Bereich. Ich bin froh, dass ich das hier gefunden habe.“ Sorgen um einen Job macht er sich nicht. In der Bodensee-Region und um Freyburg, meint er, gibt es genug. „Und die Ausbildung hier ist super. Da werde ich was finden.“

Alle sind glücklich, denn sie haben sämtliche Prüfungen bestanden. (FOTO: KEHRER)
 
WOLFEN/MZ. Das schönste Weihnachtsgeschenk haben sie sich selbst gemacht: Zehn Frauen und Männer, die im Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld noch einmal die Schulbank gedrückt und den Beruf Chemielaborant beziehungsweise Chemikant gelernt haben, sind am Montag freigesprochen worden. "Alle haben bestanden", sagt Olaf Richardt, Geschäftsführer des Bildungszentrums. "Das ist wirklich eine frohe Botschaft." Mit dem Zeugnis - die Prüfung lief über die Industrie- und Handelskammer (IHK) Halle-Dessau - haben sie nun beste Starbedingungen für einen neuen Job in einer zukunftsträchtigen Branche.
 
Während die meisten von ihnen ihre Chance zur Umschulung über die Arbeitsagentur nutzten, absolvierten zwei Mitarbeiter des Unternehmens Evonik die Ausbildung als berufsbegleitende Fortbildung.
 
Christian Dziurla gehört zu ersteren. Er wird der 26. Mitarbeiter im Unternehmen Dr. Felgenträger & Co. - Öko-Chemie und Pharma GmbH in Rodleben, sagt Prokurist Hartmut Appl, der den Neuen mit einem großen Blumenstrauß zur Einstellung beglückwünschte. "Er hat einen so guten Eindruck bei uns hinterlassen, da waren wir schnell geneigt, ihm eine gewisse Offerte zu unterbreiten", so der Prokurist. Überhaupt sei das Unternehmen, das selbst Mitglied des Vereins Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld ist, sehr zufrieden mit der Ausbildung hier. Alle fünf Azubis der Firma, die bisher im Bildungszentrum gelernt haben, seien auch übernommen worden. "Weil sie einfach gut sind", so Appl. Auch Dziurla. "Das passt wie die Faust aufs Auge", meint der lächelnd. Denn mit Chemie hat der 29-Jährige seit der Schulzeit was am Hut. "Das hat mir schon immer Spaß gemacht", meint er. Einige Jahre hat der Mann aus Zerbst in der Stahlbaubranche gearbeitet, bis das Unternehmen in Insolvenz gehen musste. "Mir hat die Arbeitsagentur dann eine Weiterbildung angeboten. ,Ok', dachte ich, ,das machst du. Wer weiß, ob du es bis zur Rente auf dem Bau schaffst.' Außerdem: Man sollte ruhig die Chance nutzen, Neues zu lernen. Und Chemie - die Idee fand ich gut."
 
Über mehrere Praktika ist er zu der Firma in Rodleben gekommen. Das Unternehmen, das 1990 von Fachleuten aus der chemisch-pharmazeutischen Industrie und der Veterinärimpfstoffproduktion gegründet wurde, stellt vor allem pharmazeutische Produkte für die Human- und Veterinärmedizin und Feinchemikalien her. Christian Dziurla, das weiß er schon, wird im Bereich Feinchemie arbeiten. "Mein Vertrag ist unbefristet - eine schöne Sicherheit", freut er sich.
 
Auch Kathrin Sieberling hat ihren neuen Arbeitsplatz schon sicher. Die 30-Jährige wird als Lehrausbilderin für künftige Chemikanten, Chemielaboranten und Pharmakanten im Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld arbeiten. Nach einem nicht vollendeten Biotechnologiestudium sei das genau das Richtige für sie, sagt sie. "Wir sind froh, sie gewonnen zu haben", so Ausbilderin Renate Petrucz, die die junge Frau in diese Richtung immer weiter gefördert hat.
 
Noch keinen Arbeitsvertrag in der Tasche hat jedoch beispielsweise Steve Gruner. Doch entmutigt ist der 33-Jährige nicht. "Ich habe jetzt eine richtig solide Basis", sagt der junge Mann, der ursprünglich Tischler gelernt und später auf dem Bau gearbeitet hat. Auch als CNC-Dreher hat er eine Qualifikation. "Ich denke, der Chemiebereich ist was stabiles. Außerdem werde ich dort jetzt auch die Möglichkeit haben, noch weiter zu kommen, Zusatzqualifizierungen zu machen, mich zu spezialisieren", erklärt er. Und wenn es in der Region nichts wird mit einem Job, meint der Dessauer, dann gucke er sich "in Richtung Schweiz" um. Bis Februar gibt er sich noch Zeit hier.


Verbundausbildung
Kooperation mit Firmen

HALLE (SAALE)/MZ. Im Jahr 1994 ist das Bildungszentrum (BZ) Wolfen-Bitterfeld gegründet worden. Pro Jahr werden in der Bildungseinrichtung, in der ein Schwerpunkt auf dem Gebiet Chemie liegt, im Durchschnitt rund 400 junge Leute ausgebildet.
 
Das BZ arbeitet mit rund 60 Firmen der Region im Verbund. Rund 40 Ausbildungsberufe in Bereichen wie Labor- und Prozesstechnik, Elektro, Informations- und Medientechnik, Metall, Wirtschaft und Verwaltung, Farb-und Raumgestaltung sowie Bautechnik stehen zur Auswahl. Seit neuestem gibt es den Beruf Pharmakant.
Hinzu kommt das Angebot der Einrichtung zur Weiterbildung und Umschulung auch älterer Arbeitnehmer sowie berufsbegleitender Lehrgänge.
 

Zur Eröffnung des neuen Ausbildungslehrjahres

Erstmals kamen die Auszubildenden eines Jahrgangs des Akzo Nobel Konzerns für drei Tage an einem Ort zusammen. So trafen sich 61 Jugendliche aus allen Teilen Deutschlands in Bonn, um einander und den Konzern, für den sie teilweise noch nicht mal vier Wochen arbeiten, kennenzulernen. 22 Akzo Nobel-Standorte in Deutschland bilden in diesem Jahr insgesamt 15 Berufe aus. Darunter Chemielaborant, Chemikant, Elektroniker, Industriekaufmann, Industriemechaniker, Kaufleute im Groß- und Außenhandel und Lacklaborant.
 
Während dieser Veranstaltung lernten die Azubis die Vielfältigkeit ihres neuen Arbeitgebers kennen und blickten auch über den Tellerrand ihres Standortes. Der Spaß darf bei einer solchen Veranstaltung natürlich auch nicht zu kurz kommen, so wurde die Gemeinschaft in Teamspielen gestärkt. Anja Köpke, verantwortlich für die Ausbildung in Deutschland: "Wir hoffen mit diesem Auftaktevent eine Teamkultur unter den Jugendlichen etabliert zu haben und gleichzeitig den Grundstein für eine gute Ausbildung in unserem Konzern gelegt zu haben." Bei Akzo Nobel befinden sich insgesamt 180 junge Menschen in der Ausbildung.
 
Vom Standort Bitterfeld nahmen zwei Auszubildende teil. Sie werden zum Chemielaborant und Chemikant ausgebildet. Bereits am vergangenen Mittwoch betonte Werleiter Stefan Kauerauf in seiner Festrede zur Eröffnung des Ausbildungsjahres des Bildungszentrums Wolfen-Bitterfeld, wie wichtig die Nachwuchsgewinnung für den Standort Bitterfeld, aber auch für den gesamten Industriezweig ist. Schließlich sind 70 % der Beschäftigten der nordostdeutschen Chemieindustrie älter als 43 Jahre. Deshalb hat man sich entschlossen, zu den bereits drei in Bitterfeld in der Ausbildung stehenden jungen Leuten zwei weitere auszubilden. "Unter den heutigen Bedingungen werden wir diesen Weg in den nächsten Jahren kontinuierlich weiter beschreiten", so Kauerauf. "Besonders wichtig für die Kultur und das Zusammenarbeiten in einem Unternehmen ist, dass eine gute Mischung zwischen erfahrenen Mitarbeitern sowie jungen Leuten mit ihrer Art zu leben, ihren sozialen Kompetenzen und ihren teilweise unkonventionellen Ideen besteht."