AUSBILDUNG Die ersten Azubis des laufenden Ausbildungsjahres werden im Bildungszentrum freigesprochen. Darunter sind auch mehrere Umschüler.

WOLFEN/MZ - Die Blumen von ihrem Chef sind für Kathleen Thäle ein schönes Symbol: dafür, dass sie ihre Facharbeiterprüfung als Chemikantin bestanden hat und dafür, dass sie sofort ihren Job beim Fußbodenhersteller Debolon in Dessau antreten kann. Die Umschulung also ist für sie komplett gelungen. "Ich bin echt glücklich", sagt sie. Und das ist ihr sogar anzusehen.

 
Foto: André KehrerAn der Aktion "Weihnachten im Schuhkarton" beteiligt sich auch das Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld. Auszubildende aus dem Bereich Naturwissenschaften gestalten, packen und schnüren die Päckchen. Sie werden dann der evangelischen Mariengemeinde in Jeßnitz übergeben. Über eine Sammelstelle gelangen die Weihnachtsgrüße aus Bitterfeld-Wolfen nach Osteuropa.

 
115 junge Frauen und Männer beginnen im Bildungszentrum ihre Ausbildung. Einige Plätze blieben jedoch leer. Späteinsteiger sind willkommen.
 
Die 110 neuen Auszubildenden, die im Kulturhaus Wolfen begrüßt wurden, kommen aus mehr als 40 Betrieben und Institutionen.  (BILD: André Kehrer)
 
Wolfen. Celine Vieweg und Maurise Hinsche haben die Chance beim Schopf gepackt. Die 16-Jährige aus Roitzsch hat bei der Firma Teckentrup eine Ausbildung zur Industriekauffrau begonnen. Der 17-jährige Wolfener möchte sich bei Organica Feinchemie als Fachkraft für Lagerlogistik beweisen.
 
Die Praxis ihrer künftigen Berufe erleben beide in ihren jeweiligen Unternehmen. Ein Großteil der Theorie aber wird ihnen im Berufsschulzentrum vermittelt. Das Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld gibt das berufspraktische Handwerkszeug mit auf den Weg. Dort begann am Mittwoch für Celine und Maurise das erste Ausbildungsjahr.

Olaf Richardt begrüßt die Azubis.  (BILD: Andre Kehrer) Sie gehören zu 115 jungen Leuten, die im Bildungszentrum in 16 Berufen lernen. Die Palette reicht von Chemie über Elektro- und Verfahrenstechnik bis zum kaufmännischen Bereich. „Wir haben in allen Berufsfeldern, in denen wir ausbilden, Neulinge am Start“, bestätigt Bildungszentrum-Geschäftsführer Olaf Richardt. Allerdings muss er auch einen Wermutstropfen ausschenken: Das Bildungszentrum könnte noch deutlich mehr junge Leute schulen.
 
Momentan sind 15 Stellen nicht besetzt. „Wir wissen vom Bedarf in den Unternehmen“, erklärt der Geschäftsführer und lässt deshalb die Hintertür für Späteinsteiger weit offen. „Bis zu drei Monaten kann nachgemeldet werden“, sagt er und animiert Schulabgänger ohne Lehrstelle, Bewerbungen beim Bildungszentrum abzugeben. „Wir leiten die Unterlagen dann direkt weiter.“
 
Der Bedarf der Unternehmen an Nachwuchs ist groß. Für die Auszubildenden habe es selten so gute Voraussetzungen gegeben, betont Christian Haserodt. Er ist Fertigungsleiter bei Teckentrup und erinnert daran, dass viele Mitarbeiter des Unternehmens zur Wendezeit zwischen 30 und 40 Jahre alt gewesen wären. „Sie steuern heute auf den Ruhestand zu. Das ist die große Chance für den Nachwuchs.“
 
Teckentrup rührt wie andere auch die Werbetrommel. Schon bisher lag die Übernahmequote bei Auszubildenden bei 90 Prozent. Der Wert dürfte noch weiter ansteigen.

Für Celine Vieweg war es weniger die Theorie als die Praxis, die für eine Ausbildung bei Teckentrup sprach. Das Unternehmen liegt nicht weit weg von Zuhause. Zudem konnte die junge Frau dort bereits Praxisluft schnuppern. „Mal sehen, wie es weitergeht.“ Das meint auch Maurise Hinsche, der Ausbildung in seiner ganz persönlichen Hierarchie der Lieblingstätigkeiten dem klassischen Schulunterricht deutlich vorzieht. „Sollte mehr mein Ding sein“, ist der Wolfener überzeugt.
 
Dass Ausbildung im Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld alles andere als Zuckerschlecken ist, liegt auf der Hand. Die Erwartungen sind bei den Ausbildungsbetrieben und im Bildungszentrum hoch. „99 Prozent unserer Azubis haben letztes Jahr die Prüfungen in unserem Bereich im ersten Anlauf bestanden“, erinnert Olaf Richardt. 30 junge Leute beendeten ihre Ausbildung sogar vorzeitig und waren im Ranking der Kammern ganz vorn zu finden. „Es wäre schön, wenn es so weitergehen könnte“, gibt der Geschäftsführer den neuen Azubis bei der offiziellen Begrüßung mit auf den Weg.
 

 
Ein Jubiläum kann das Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld in diesem Jahr feiern. Denn 1994, also vor 20 Jahren, nahm es seinen Ausbildungsbetrieb auf. Die Einrichtung bietet in Zusammenarbeit mit zahlreichen Unternehmen der Region die klassische Verbundausbildung an.
 
Zu Partnern des Zentrums gehört seit Jahr und Tag zum Beispiel die Bayer Bitterfeld GmbH. Das Unternehmen hat in 20 Jahren insgesamt 624 Azubis ausbilden lassen. 90 Azubis kann Solvay Chemicals in die Bilanz einstellen. 50 waren es bisher bei Heraeus Quarzglas.
 
Im neuen Ausbildungsjahr arbeitet das Bildungszentrum neben den altbekannten Partnern auch mit Unternehmen aus Weimar und Genthin zusammen. Ausgebildet wird in den Bereichen Labor- und Prozesstechnik, Informations- und Medientechnik, Metalltechnik, Elektrotechnik, Wirtschaft und Verwaltung.

 
Das Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld besteht schon seit 20 Jahren. Dort wird in 25 Berufen ausgebildet, die Absolventen sind gefragt auf dem Arbeitsmarkt.
 
Erwachsene können sich im BZ Wolfen-Bitterfeld in modularer Ausbildung qualifizieren.  (BILD: archiv) Wolfen/MZ. Totgesagte leben länger: Kaum einer außer den Machern hat im Jahr der Gründung daran geglaubt, dass der Verein Bildungszentrum (BZ) Wolfen-Bitterfeld lange existieren wird. Er existiert bereits 20 Jahre - und das sogar erfolgreich. Am Freitag wurde das Jubiläum begangen. Weit über 2.000 Azubis und über 3.000 Fortbildungs- und Umschüler haben hier ihre Ausbildung seit 1994 absolviert. Und nicht irgendwie. Wer das Zeugnis vom Bildungszentrum vorweist, hat super Chancen auf einen Job. „Die Vermittlungsrate ist sehr hoch“, sagt BZ-Geschäftsführer Olaf Richardt.
 
Das hat Gründe. Eine frühzeitige gute Berufsorientierung, eine hohe Qualität der Ausbildung und ein gutes Lehrer-Schüler-Verhältnis stehen seit Jahren dafür. Die Abbrecherquote, die im Durchschnitt in Deutschland bei 25 Prozent liegt, ist laut Richardt im BZ bei acht Prozent. Und 98 Prozent der Prüflinge haben in den zurückliegenden 20 Jahren ihre Abschlussprüfung, die die Industrie- und Handelskammer (IHK) Halle-Dessau abnimmt, auch erfolgreich bestanden. Das übrigens ist deutschlandweit Spitze.


Partner für praktische Ausbildung

Die Einrichtung hat von Anfang an auf Erstausbildung als Kernkompetenz gesetzt und mit dem so genannten dualen Modell ein Alleinstellungsmerkmal entwickelt. Das BZ steht quasi als Bindeglied zwischen der Theorie-Vermittlung in der Berufsschule (meist das Berufsschulzentrum „August von Parseval“) und der Praxis im Unternehmen, es übernimmt als Dienstleister für die Firmen die Rolle des handwerklich-praktischen Ausbilders. „Viele haben gar keine Zeit, sich so intensiv um ihre Azubis zu kümmern. Da finden sie in uns den Partner“, erklärt Jürgen Heil, amtierender Vorstandsvorsitzender.

Die ersten Partner damals, Firmen wie Abasys, TDA, SIS, Teutloff und andere, gehören zu den Gründungsmitgliedern des Vereins Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld, blickt Heil zurück. „Sie haben damals das Risiko nicht gescheut - Großunternehmen gab es nicht mehr, Ausbildungsplätze demnach auch nicht. Und der Markt war 1994 aufgeteilt, doch mit Erstausbildung hatte keiner was am Hut - aus finanziellen Gründen. Wir haben noch das letzte Trittbrett des D-Zuges erwischt.“ Zwölf Gründungsfirmen waren sie damals, die Anzahl der Mitglieder ist heute auf 57 gestiegen.


Ausbildung in 25 Berufen

Ausgebildet werden die Lehrlinge heute in 25 Berufen in den Bereichen Metall, Elektro, Chemie sowie im kaufmännischen Bereich. „Und wir sind in der Lage, diverse mehr anzubieten“, sagt Richardt. Berufe wie Pharmakant, Mechatroniker und Ver- und Entsorger zum Beispiel sind neu hinzugekommen. Dafür ist der Bereich Bau/Raumgestalter zurückgegangen. „Wir passen uns den Erfordernissen des Marktes an“, so der Chef.
 
Mit der Chemie-Ausbildung übrigens punktet das BZ wie kein anderer Ausbilder. Pharmakanten werden fast ausschließlich hier ausgebildet. 65 Prozent der BZ-Azubis lernen einen Chemie-Beruf. Am gefragtesten ist Chemikant. „Sicher ist das nicht der Traumberuf, wie überhaupt technische Berufe in der Beliebtheitsskala heute nicht weit oben stehen“, meint Richardt, „aber es ist einer, der am Standort gebraucht wird.“ Die Zukunft, weiß er, liegt hier. Zog die Arbeit noch vor Jahren junge Leute in die Ferne, suchen heute die Unternehmen am Standort händeringend gut ausgebildete Facharbeiter.
 

 
Am Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld gehen die Anmeldungen für Azubis weiter zurück. Doch größere Unternehmen im Landkreis haben offenbar bislang keine Sorgen bei Lehrlingen. Allerdings sei man weit entfernt von Zuständen wie kurz nach der Jahrtausendwende.

Wolfen/MZ. Die Zahl der Auszubildenden geht im Landkreis Anhalt-Bitterfeld weiter zurück. Das ist derzeit auch im Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld spürbar. „Wir würden uns freuen, wenn wir im neuen Jahr wieder mindestens 120 Azubis bekommen.“ In den 20 Jahren seit der Gründung sei das stets gelungen. In diesem Jahr könnte das Ziel verfehlt werden.
 
Denn im Bildungszentrum liegen aktuell weniger Anmeldungen durch Unternehmen vor, als in den Vorjahren, da Jugendliche fehlten. „Die Firmen wären bereit und fragen uns immer wieder, ob noch junge Leute da sind“, erklärt Renate Schiffel, stellvertretende Geschäftsführerin des Bildungszentrums. Die Einrichtung ist auch ein Ansprechpartner und Berufsorientierungshilfe für Jugendliche.

„Leider liegt keine Ausbildungsbereitschaft oder kein -bedarf vor.“
 
An den Berufsbildenden Schulen Anhalt-Bitterfeld, den größten ihrer Art in Sachsen-Anhalt, besuchen den Standort Bitterfeld in diesem Jahr 2600 Azubis von einst 3 800, in Köthen sind es noch 600 junge Menschen. „Die Schülerzahlen sind zurückgegangen, damit müssen wir und genauso die Betriebe klarkommen“, sagt Rainer Woischnik, Leiter der Einrichtung. „Aber laut Kultusministerium ist zumindest bei den Schulabgängerzahlen in Sachsen-Anhalt die Talsohle erreicht.“ Doch so groß die Rückgänge der Lehrlingszahlen auch sind, Woischnik sieht auch die Unternehmen stärker in der Pflicht, mehr Azubis an sich zu binden: „Diesen Mut sollten sie haben.“ Beispielsweise sei es der Berufsbildenden Schule nicht mehr gelungen, den Lehrbetrieb für Gebäudereiniger-Azubis aufrecht zu erhalten - und das, obwohl über 100 Betriebe in Sachsen-Anhalt angeschrieben wurden. „Leider liegt keine Ausbildungsbereitschaft oder kein -bedarf vor. Und das ist nur ein Beispiel von vielen.“
 
Größere Unternehmen im Landkreis haben offenbar bislang keine Sorgen bei Lehrlingen. Zwar sei auch hier der demografische Wandel spürbar, „die Situation ist für uns aber noch luxeriös“, erklärt Ute Walther, Sprecherin bei Bayer Bitterfeld. Es würden sich jährlich immer noch rund 300 Leute auf die Ausbildungsplätze bewerben, von denen dann je nach Bedarf mindestens 15 Personen einen Platz bekommen würden. Allerdings sei man weit entfernt von Zuständen wie kurz nach der Jahrtausendwende. Damals hätten sich zum Teil über 1 000 junge Leute im Jahr an Bayer gewandt.
 
Auch das im Chemiepark ansässige Unternehmen Dow klagt nicht über Bewerbermangel. „Das ist kein Thema“, sagte der Global Business Director von Dow Construction Chemicals, Olivier Maillard, am Rande der Feierlichkeiten zum 20-jährigen Jubiläum der Methylcellulose-Produktion in Bitterfeld. „Dow hat einen guten Ruf, insbesondere an diesem Ort.“
 

Qualifizierung im Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld

Das Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld bietet im neuen kaufmännischen Übungsbüro die Möglichkeit zur Weiterbildung und Umschulung an. Für das Büro investierte das BZ etwa 150 000 Euro.

Mit einem Übungsbüro erweitert das Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld sein Angebot.  (BILD: thomas ruttke) Wolfen/MZ. Im Call-Center bei Neckermann hat Anke Reichel über Jahre gearbeitet. Dann war plötzlich Schluss, weil Schluss war mit Neckermann. Das war vor ein paar Jahren. Da hat die heute 46-jährige Frau umgeschult zur Bürokauffrau. Weil sie dachte, so eine bessere Position am Arbeitsmarkt bekommen zu können.

Weiterbildung

Seit zwei Jahren ist die Wolfenerin auf der Suche nach einem Job. Und: Sie gibt die Hoffnung nicht auf. Deshalb hat sie auch nicht lange überlegt, als die Komba ihr eine Weiterbildung auf ihrem Gebiet beim Bildungszentrum (BZ) Wolfen-Bitterfeld anbot. „Man vergisst ja auch dies und das“, sagt sie. „Da ist so ein Lehrgang richtig gut.“ In dem steckt sie nun mittendrin.
 
Zusammen mit Detlef Michael meistert sie gerade den Bereich Marketing im neuen kaufmännischen Übungsbüro des BZ. Das gehört zum Berufsfeld Wirtschaft und Verwaltung und ist als Angebot ganz neu. Damit hat sich das BZ auf den neuen Ausbildungsberuf Kaufmann für Büromanagement, der mit dem neuen Ausbildungsjahr in Deutschland angeboten wird, eingestellt. Was zunächst als Angebot für die Komba vorgesehen war und auch von ihr gewollt wurde, soll nun breiter gefasst werden, erklärt Renate Schiffel, stellvertretende Leiterin des BZ. „Unser Übungsbüro steht offen nicht nur für Weiterbildung und Umschulung. Im neuen Lehrjahr starten wir in dem Fach die Erstausbildung. Und unser Übungsbüro steht auch den Unternehmen offen, wenn sie eigene Leute fortbilden wollen. Wir bieten das als Dienstleistung in Tages- oder Abend-Kursen an.“ Rund 150 000 Euro hat das BZ investiert, um ein modernes Büro mit verschiedenen Abteilungen nachzugestalten. „Die Büroarbeit verändert sich radikal - die Anforderungen werden immer schneller, flexibler, marktorientierter. Das lernen die Leute bei uns. Indem sie hier mit anderen in einem Großraum-Büro sind, lernen sie auch das Arbeiten im Team und müssen sich Konflikten stellen und sie lösen“, so Schiffel. „Die kaufmännische Organisation entspricht weitestgehend den realen Unternehmen mit den üblichen Strukturen und Funktionen.“

Lehrgang mit zwölf Teilnehmern

Im Abstand von fünf Wochen durchlaufen die derzeit zwölf Teilnehmer des Lehrgangs fünf Geschäftsbereiche. „Wir sind auf gutem Weg - wie die Wirtschaft das will“, sagt Dozentin Cornelia Sorgenfrei. „Und wir sind die einzigen, die es anbieten.“
 
Ilona Zerbes (Name geändert) arbeitet sich durch die Aufgaben eines Sekretariats. Die einstige Chemieingenieurin setzt nach längerer Arbeitslosigkeit und einigen Umschulungsmaßnahmen auf den neuen Beruf Kauffrau für Büromanagement.
 
Große Rosinen, sagt die 58-Jährige, habe sie in ihrem Alter allerdings nicht mehr im Kopf, was einen festen Job betrifft. „Vielleicht kommt aber doch der Zufall zu Hilfe“, meint sie. „Obwohl es ja für die Jüngeren viel wichtiger ist, eine Arbeit zu bekommen.“ Aber schaden, meint sie, kann so eine Weiterbildung ja auch nicht. „Es hat sich viel verändert in der Büroarbeit. Da wollte ich eine Auffrischung durch die neuen Programme.“