WOLFEN/MZ. Für die Schüler der achten Klasse einer Schule aus dem brandenburgischen Herzberg war es eine ganz neue Welt, in die sie da am Dienstag eingetreten waren. Lange allerdings hat es nicht gedauert, bis sie sich in der Lehrwerkstatt des Bildungszentrums Wolfen-Bitterfeld schon recht heimisch fühlten. Kein Wunder - die hiesigen Azubis nahmen sie quasi an die Hand.
 
Die Schüler erlebten Berufsvorbereitung einmal anders. "In der Umgebung von Herzberg gibt es zumeist Landwirtschaft, und es gibt viele kleine Betriebe. Die decken zwar ein breites Spektrum ab, aber sie bieten kaum etwas im Bereich Chemie. Unser Anliegen ist es daher, dass die Jugendlichen neue Berufe, Industrieberufe kennen lernen. Sie sollen ihren Blick erweitern und auch gucken, was in der Umgebung angeboten wird", sagt Elke Swolinski, die das Projekt betreut.
 
Das heißt "Praxis lernen" und ist Teil des vom Land Brandenburg und der Europäischen Union geförderten Programms "Initiative Oberschule". 62 Schulen in ganz Brandenburg beteiligen sich daran.
 
Ungewöhnlich ist das für Steffen Rusetzki, Leiter der Lehrwerkstatt, nicht. Obwohl - aus einem anderen Bundesland kamen noch nie Schüler, um sich hier im Bildungszentrum über Berufe zu informieren. Vom Landkreis Anhalt-Bitterfeld indes kommen seit Jahren viele Schulen her und bieten so den Jugendlichen die Möglichkeit, hinter die Kulissen zu gucken und einen möglichen Ausbildungsberuf von der praktischen Seite her kennen zu lernen. "Mit dem Thema Berufsorientierung kann man ja nicht früh genug beginnen", weiß gerade Rusetzki. Und so durchliefen die 48 jungen Herzberger für ein paar Stunden sämtliche vier Bereiche, die die Werkstatt bietet: Elektrotechnik, Metalltechnik, Farbgestaltung sowie das chemische Technikum.
 
"Vielleicht findet der eine oder der andere das hier ganz spannend", so Elke Swolinski. "Es gibt ja einige renommierte Unternehmen hier im Chemiepark, bei denen man sich bewerben könnte." Das sieht auch Rusetzki so. Der Vorteil ist, dass Unternehmen gerade jetzt auf der Suche nach Azubis sind. Das Angebot an Lehrstellen ist ungleich größer als die Nachfrage. Und das wird sich in zwei Jahren nicht geändert haben, glaubt er. Auch das Bildungszentrum bietet noch freie Ausbildungsplätze an - so für Industriemechaniker und Verfahrensmechaniker.
 
Für die Schüler aus Herzberg ist der Tag in der Lehrwerkstatt mit dem Feierabend noch nicht abgehakt, wie Elke Swolinski sagt. "Wir werden in der Schule den Tag nochmal Revue passieren lassen, ihn sozusagen nachbereiten." Auch für sie selbst soll die kleine Exkursion nach Wolfen keine Eintagsfliege sein. Nächstes Jahr, sagt sie, will sie wiederkommen - zunächst wieder mit einer achten Klasse und später dann mit älteren Schülern, die unmittelbar vor der Entscheidung für einen Beruf stehen. "Ich weiß, dass die Lehrer das gut finden. Vielleicht entwickelt sich das Ganze ja mal zu einer neuen Form des Projektunterrichts."
 
Im Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld werden derzeit rund 360 Lehrlinge für mehr als 100 Unternehmen in 46 Berufen ausgebildet. Dabei reicht die Palette von der Erstausbildung bis hin zur Umschulung. Ausgebildet wird in sieben Berufsbildern. Die Einrichtung gibt es seit 1994.